Braun gebrannt und nonchalant

STEUERAFFÄRE SCHMITZ

Wowereits Reaktion zeigt die Chuzpe eines der Bodenhaftung längst Überdrüssigen

Klaus Wowereit bleibt. Im Amt. Und im Urlaub. Das eine ist keine Überraschung: Sein Fell scheint zu dick, das Ego zu groß, als dass er sich sorgen würde, über eine Bagatelle im Wowereit’schen Sinne wie den Steuerbetrug seines Vertrauten André Schmitz zu stürzen. Das andere zeugt einmal mehr von einer Chuzpe, die in der Summe ihres Aufkommens längst Markenzeichen eines der Bodenhaftung Überdrüssigen ist.

Wowereit fährt Ski, und was derweil in Berlin passiert, ist ihm scheißegal.

Kann es auch, denn das Lustige ist ja: Niemand glaubt wirklich, dass der Regierende über die am Montag bekannt gewordene Affäre Schmitz stolpert. Trotzdem wird allerorten – auch in der taz – das nächste Kapitel über die angebliche Wowi-Dämmerung geschrieben; ignorierend, dass schon die vorangegangenen das gleiche Ende hatten: Konsequenzen zu ziehen aus fehlerhaftem Handeln, das entspricht nicht den Kategorien, in denen Klaus Wowereit denkt. Er sitzt aus. Damit ist er immer gut gefahren.

Ist nicht im vergangenen Jahr nach der Sommerpause sehr anerkennend registriert worden, wie fit, ausgeruht und kampfeslustig, wie wowereit Wowereit plötzlich wieder war? Obwohl er nach der erneut geplatzten BER-Eröffnung, dem Verlust des Aufsichtsratsvorsitzes Monate zuvor so müde, so unlustig gewirkt hatte, dass sogar über einen – freiwilligen! – Rücktritt spekuliert worden war? Der erste Auftritt am kommenden Montag nach dem Skiurlaub, wird ihm, braun gebrannt und nonchalant, eine Freude sein.

Es ist ebendieses Selbstbild, das es seinen Widersachern schwermacht. Die Berliner SPD ist zu schwach auf der Brust, um es mit ihrem ungeliebten Einzelkämpfer aufnehmen zu können. Hätte nicht Bundeschef Gabriel auf den Busch geklopft: Schmitz wäre wohl immer noch im Amt.

Die einzig noch relevante Frage in der Causa Schmitz ist unbeantwortet: nämlich ob Wowereit schon 2012 hätte handeln und seinen Vertrauten entlassen müssen, unmittelbar nachdem er über dessen Steuerbetrug informiert worden war. Wenn nicht, wäre moralisches Vergehen politisch nicht zu ahnden, sobald das strafrechtliche Ausmaß behoben ist. Oder anders: Alles ist erlaubt, auch der Steuerbetrug eines schwerreichen SPD-Politikers, solange nur die Öffentlichkeit davon nichts spitzkriegt.

Klaus Wowereit soll sich jetzt vor Ausschüssen und seinem Landesverband erklären. Ist er nur halb so cool, wie er zu sein glaubt, nutzt er die Gelegenheit, sein Spiel mit einer unerwarteten Volte zu perfektionieren. Und verkündet just nach dem Urlaub, braun gebrannt und nonchalant, seinen Rücktritt. Es wäre die ultimative Chuzpe zum Abschied. TORSTEN LANDSBERG