„Der Wald ist Teil unseres Kulturgutes“

Kassenhäuschen am Waldesrand sind undenkbar, sagt Lenelis Kruse, Professorin für Ökologische Psychologie.Um die wertvolle Ökologie des Waldes zu erhalten, kann sie sich aber eine kleine indirekte Abgabe vorstellen

taz: Frau Kruse, können Sie verstehen, dass Waldbauern für Veranstaltungen im Wald Geld nehmen?

Lenelis Kruse: Ja. Das hängt auch damit zusammen, dass Waldbesitzer immer weniger von der Bewirtschaftung des Waldes leben können. Obwohl wir einen Holzüberschuss haben, führen wir etwa Holz aus Skandinavien ein. Außerdem gehen nicht alle im Wald friedlich spazieren. Die Eigentümer erleben mehr und mehr Zerstörungen, die sie beheben müssen, etwa durch Mountainbiker. Für andere sportliche Events muss man die Location auch bezahlen. Warum sollte dann die Nutzung des Waldes frei sein?

Was ist mit den Menschen, die nur Erholung suchen?

Das ist eine andere Sache. Man muss sich sehr genau überlegen, zu welchem Zweck man eine Waldmaut erheben will.

Muss es denn eine Maut sein? In den Niederlanden zahlt der Staat Waldbesitzern, die ihren Wald öffnen, eine jährliche Prämie.

Denkbar wäre auch ein indirekter Beitrag aus Steuern, etwa eine Art „Waldcent“, damit die Ökologie des Waldes erhalten bleibt. Auch müssen die Waldbauern entschädigt werden, wenn sie sich um den Naturschutz kümmern und dadurch Nutzungsausfälle haben. Kassenhäuschen am Wald halte ich aber für kontraproduktiv. Ich glaube auch nicht, dass man das durchsetzen kann. Was wir wirklich brauchen, ist eine neue und andere Bewertung des Waldes für die Zukunft. Ein Wald ist für die Menschen etwas anderes als Bäume oder Holz. Menschen, die in den Wald gehen, ärgert jeder gefällte Baum, den sie sehen.

Würden wir den Wald noch besser schätzen, wenn wir Eintritt dafür zahlen müssten?

Ich bin ein Gegner der totalen Ökonomisierung aller Orte, an denen wir uns im Alltag bewegen. Wenn diese gesellschaftliche Entwicklung anhält, kann es schon sein, dass wir einen Eintritt für den Wald akzeptieren würden. Aber dann könnten wir auch für die Atemluft zahlen.

Mystifizieren wir Deutschen den Wald?

In Deutschland ist eine gewisse Mystifizierung ganz sicher vorhanden. Die Deutschen haben eine engere Beziehung zum Wald als etwa die Franzosen. Dort sind fast alle Wälder abgeholzt worden. Der deutsche Wald ist Teil unseres Kulturgutes. Deswegen wird er von der Bevölkerung mehr geschätzt als in anderen Ländern. Diese kulturellen Unterschiede sind wichtig, weil wir die Wälder weltweit schützen müssen. Nicht, um den Wald als Wirtschaftsgut zu erhalten. Sondern, um das Klima und die Artenvielfalt zu bewahren. Außerdem gehört der Wald zum charakteristischen Landschaftsbild. Wenn das nicht mehr da wäre, würde das die Identifikation der Menschen mit ihrem Land verändern.

INTERVIEW: GESA SCHÖLGENS