„5b-Wetterlagen nehmen zu“

METEOROLOGIE Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst über das Sachsen-Hochwasser und die Zugbahnen von Tiefdruckgebieten

■ 53, Diplom-Meteorologe, seit 1984 beschäftigt beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Abteilung: Basisvorhersagen. Besonderes Aufgabengebiet: Tornadobeauftragter.

taz: Sachsen wurde vom Hochwasser überrascht. Schuld war eine 5b-Wetterlage. Was ist das genau, Herr Friedrich?

Andreas Friedrich: Der Meteorologe Wilhelm Jacob van Bebber hat Anfang des 19. Jahrhunderts die Zugbahn von Tiefdruckgebieten untersucht. Dabei hat er festgestellt, dass diese mehr oder weniger chaotisch sind – abgesehen von Tiefdruckgebieten, die vom Mittelmeer kommen. Diese Zugbahnen werden als 5b-Wetterlagen bezeichnet. Sie führen häufig zu Unwettern mit starkem Regen oder im Winter mit starkem Schneefall. Am Wochenende in Sachsen konnten wir wieder eine 5b-artige Wetterlage beobachten.

Wie kommt es zu solchen 5b-Wetterlagen?

Bei diesem Wetterphänomen zieht ein Tiefausläufer vom Atlantik her zum Mittelmeer. Dort tanken die warmen Luftmassen sehr viel Feuchtigkeit und ziehen dann östlich der Alpen nordwärts weiter nach Polen oder zum östlichen Mitteleuropa. Dabei kühlt sich die Luft ab und kondensiert – es regnet also. Und weil die Luft sehr viel Feuchtigkeit gespeichert hat, sind sintflutartige Regenfälle die Folge. Die extremste 5b-Wetterlage erlebten wir 2002 in Sachsen. Damals wurden in Zinnwald auf dem Erzgebirgskamm 312 Liter Wasser pro Quadratmeter in 24 Stunden gemessen – Regenrekord in Deutschland. Um zu verdeutlichen, was das heißt: Nach 24 Stunden stand das Wasser auf dem Quadratmeter 31,2 Zentimeter hoch. An einem oder zwei Tagen gab es mehr Niederschlag als sonst in einem Monat.

Wann gab es sonst noch 5b-Wetterlagen in Deutschland?

Das Alpenhochwasser 2005 war eine 5b-Wetterlage – Tief „Norbert“ war für die Unwetterkatastrophe im gesamten Donauland verantwortlich. Auch das Elbe-Hochwasser 2006 folgte einer 5b-ähnlichen Wetterlage. Die schweren Schneeeinbrüche in diesem Januar brachte das Tief „Daisy“, das auch auf eine 5b-artige Wetterlage zurückzuführen ist. Alle schwereren Unwetter in Deutschland sind im Prinzip Folge von 5b- oder ähnlichen Wetterlagen, das können also auch 5a- oder 5c-Wetterlagen sein. Das sind Varianten der Zugbahn. Nicht alle 5b-Wetterlagen bringen Unwetter mit sich, viele aber schon.

Müssen wir damit rechnen, dass 5b-Wetterlagen in Deutschland künftig häufiger vorkommen?

Zumindest müssen wir damit rechnen, dass sie deutlich stärker ausfallen können. Da es durch den Klimawandel insgesamt wärmer wird, sind schon die Ursprungsluftmassen wärmer – und wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern. Dadurch werden die Niederschläge stärker und damit die Auswirkungen intensiver.

Wie können wir uns dagegen schützen?

Gegen den Regen von oben kann man sich nicht schützen. Was man tun kann, ist, mehr Hochwasserschutzmaßnahmen zu errichten. Das können Staudämme sein oder Stauseen in den Bergen, um regulieren zu können, dass nicht sofort das abgeregnete Wasser aus dem Tiefausläufer herunterläuft. So könnte die Hochwassergefahr zumindest minimiert werden.

INTERVIEW JOHANNA TREBLIN