Nur noch 2.000 Flüchtlinge kommen täglich an

Langsam schwächt sich auf Zypern der Andrang aus dem Libanon ab. Die Regierung ist besorgt, dass viele Menschen dauerhaft bleiben

BERLIN taz ■ Zypern hat es kalt erwischt. Auf diesen Flüchtlingsandrang in der heißesten Zeit des Jahres war die Mittelmeerinsel nicht vorbereitet. Seit Beginn der israelischen Militäroffensive in Libanon kamen rund 43.000 Flüchtlinge nach Zypern. Die meisten bleiben vor der Weiterreise in ihre Heimatländer nur wenige Tage, sagte ein Koordinator im Außenministerium am Donnerstag. Inzwischen sei die Frequenz auf „erträgliche 2.000“ am Tag gesunken.

Die Regierung in Nikosia hatte die EU um Hilfe gebeten, und Brüssel hat diese auch zugesagt. Offenbar nicht ausreichend. Am Dienstag klagte Regierungssprecher Christodoulos Pasiardis, Zypern habe seine Kapazitätsgrenzen erreicht. „Wir brauchen keine weiteren Danksagungen. Wir brauchen praktische und sofortige Unterstützung von allen europäischen Staaten“, zitierte die Zeitung Politis Pasiardis. Im Klartext: Die EU-Staaten sollten Zypern Flüchtlinge abnehmen. Die Regierung befürchtet wohl, dass tausende Menschen eine dauerhafte Zuflucht suchen könnten. Vielleicht steht hinter den Hilferufen auch die Sorge, Zypern könnte werden, was die Kanaren bereits sind: ein Anlaufpunkt für Flüchtlinge in die EU.

Tatsächlich gibt es momentan vor allem ein logistisches Problem. Am Flughafen von Larnaka sind alle Schalter rund um die Uhr besetzt, um Passagiere abzufertigen. Der deutsche Botschafter in Zypern ist seit Tagen rund um die Uhr im Einsatz. Rolf Kaiser und sein Team haben alle Hände voll damit zu tun, Landsleute in Empfang zu nehmen, zu versorgen und schnellstmöglich den Weiterflug zu organisieren. Dass morgens rund 260 Bundesbürger in Larnaka ankommen, die bereits am Abend mit einem Airbus nach Frankfurt geflogen werden, ist noch die Ausnahme.

Die meisten Flüchtlinge kommen zwar zunächst über den See- oder Luftweg in Larnaka, Limassol oder Paphos an, doch inzwischen sind auch in anderen Städten provisorische Camps eingerichtet worden. Sie werden in Schulen, Sporthallen oder Campingplätzen untergebracht.

Einige Staaten wie Kanada weigerten sich zunächst, Flugzeuge nach Zypern zu entsenden, um ihre Staatsbürger auszufliegen, erzählt Neoklis Philikiotis. Das Mitglied der kommunistischen Regierungspartei AKEL sieht keine wirkliche Gefahr in der aktuellen Krise. Natürlich werde es momentan ganz schön eng. Denn die Häfen und Flughäfen müssten nicht nur die Flüchtlinge und die Touristen verkraften, sondern auch sämtliche Hilfslieferungen in den Libanon abwickeln.

Während darüber gestöhnt wird, dass die Flieger ununterbrochen über Larnaka kreisen, mutet es seltsam an, dass die Regierung in Nikosia nicht die vom türkischen Norden angebotene Hilfe annimmt: Auch über den gut ausgebauten Flughafen Ercan oder die Häfen von Famagusta und Kyrenia könnten sowohl Transitreisende als auch Hilfsgüter transportiert werden. Doch nach Angaben der Regierung im türkischen Norden hat die griechische Seite die Hilfe abgelehnt. Der Regierungschef der türkischen Inselhälfte, Mehmet Ali Talat, bleibt laut zyprischen Medienberichten dennoch optimistisch, dass die Neuauflage der Verhandlungen über eine Fusion des geteilten Zyperns mit dem Präsidenten der Zyperngriechen, Tassos Papadopoulos, in „eine neue Partnerschaft“ münden könnte. Die Besorgnis, dass zu viele Menschen nun einen Asylantrag stellen könnten, teilt Neoklis Philikiotis nicht. Er ist sicher, dass die meisten Flüchtlinge in den Libanon zurückkehren wollen, sobald dies möglich ist. Nach seiner Kenntnis liegen in der Einwanderbehörde derzeit gut 2.000 Asylanträge, die allerdings nicht in den letzten Tagen gestellt wurden. Eine Prüfung dauert in der Regel bis zu zwei Jahre. Währenddessen erhalten Asylbewerber ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis.

Philikiotis meint, dass Zypern durchaus in der Lage ist, „eine Brücke des Friedens in einer Region mit so großen Problemen“ zu sein. Hilfreich seien dabei die Mitgliedschaft in der EU ebenso wie die traditionell guten Beziehungen sowohl zu Israel als auch den Palästinensern und zum Libanon. CHRISTINE APEL