Mehr Firmen-Infos auch für die Zivilgesellschaft

TRANSPARENZ Eine neue Initiative will mehr Licht ins Bilanzdickicht multinationaler Konzerne bringen

BERLIN taz | Bilanzen dienen im Prinzip dazu, dass sich Investoren über den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens informieren können. So geben sie Aufschluss über Gewinne und Verluste, über Schulden und Kapitalanlagen. Vieles aber steht nicht in den Bilanzen, etwa der Raubbau an Ressourcen oder unbezahlte Steuern. Etwas mehr Transparenz in die Jahresabschlüsse großer Konzerne zu bringen, das hat sich jetzt eine neue Initiative namens International Integrated Reporting Committee (IIRC) vorgenommen. Das neue Gremium tritt als Gegengewicht zum International Accounting Standards Board (IASB) auf, das bisher die in Europa und vielen anderen Regionen gültigen Bilanzierungsstandards, die International Financial Reporting Standards (IFRS), allein festlegt.

Nur Gewinne interessieren

Das IASB wurde von der Wirtschaft selbst ins Leben gerufen, insbesondere von den großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskonzernen wie KPMG und Price Waterhouse Coopers. Kritiker monieren, dass damit der Bock zum Gärtner gemacht wurde. „Das IASB interessiert sich nur für die Gewinne, die sich mit dem Handel der Unternehmensaktien auf den Finanzmärkten machen lassen, und ignoriert die realen Aktivitäten der Unternehmen und deren Folgen“, sagt der britische Buchprüfer und Steuerexperte Richard Murphy. Bislang lässt sich so nicht einmal nachvollziehen, in welchen Ländern ein Konzern welche Gewinne erwirtschaftet. Deshalb will das Europaparlament erreichen, dass die Konzernbilanzen künftig wenigstens im besonders für Korruption, Steuerhinterziehung und Ressourcenplünderung anfälligen Rohstoffsektor eine Aufschlüsselung nach Ländern bieten. Und die Finanzminister der G-20-Staaten haben auf ihrem Treffen im Juni das IASB aufgefordert, stärker die Interessen der übrigen Stakeholder zu berücksichtigen.

Soziale Fakten offenlegen

Hier will die neue Initiative nun ansetzen, deren Initiatoren Prinz Charles und die vom UN-Umweltprogramm mitgegründete Global Reporting Initiative sind. Bilanzen sollen demnach künftig nicht nur finanzielle, sondern auch soziale und ökologische Fakten widerspiegeln. Das IIRC will dabei aber nur als Ideengeber fungieren und noch darüber diskutieren, ob neue Standards verpflichtend oder freiwillig sein sollen. Dafür bringt es Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, darunter KPMG, die Tokioter Börse, den Lebensmittelkonzern Nestlé, die Korruptionsbekämpfer von Transparency International und die Umweltorganisation WWF – wobei die Wirtschaftsseite ein klares Übergewicht hat. Zu den Ersten, die ihre Unterstützung signalisierten, gehörte der IASB-Vorsitzende David Tweedie.

IASB-Kritiker Murphy bleibt skeptisch: „Daten über die soziale Unternehmensverantwortung sind inzwischen in Verruf geraten. Sie sind freiwillig, nicht einklagbar und meist auch nicht geprüft. Wenn das IIRC nun auf solche Angaben setzt, dann heißt das, dass das IASB und mit ihm die Konzerne weiter ihrer Verantwortung aus dem Weg gehen können.“ Die Öffentlichkeit wird seiner Einschätzung nach weiter auf belastbare Unternehmensinformationen warten müssen, die Auskunft über Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung geben. NICOLA LIEBERT