Verdienen und vergessen

GURKENKICK Der Supercup ist zurück. Nur weil sich inzwischen beinahe alles gewinnbringend vermarkten lässt, was irgendwie mit der Bundesliga zu tun hat, gibt es ihn wieder

Das Spiel einer B-Elf gegen den Nichtmeister mitten in der Vorbereitung ist ein Vermarktungsselbstläufer

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die Geschichte des Supercups begann mit einem Faustschlag. Es war der 28. Juli 1987. Bayern München, der Meister, hatte gerade das 2:1 gegen den Pokalsieger Hamburger SV geschossen. Uli Stein, damals Keeper des HSV, rastete aus und schlug dem Torschützen Jürgen Wegmann, noch bevor dieser zum Jubeln ansetzen konnte, mit der Faust ins Gesicht. Es war der negative Höhepunkt des ersten offiziellen Spiels zwischen Meister und Pokalsieger, das der Deutsche Fußballbund hatte austragen lassen. Und obwohl mit Bayern München und dem Hamburger SV die beiden dominierenden Mannschaften der 80er Jahre aufeinandertrafen, war das Spiel alles andere als ein Renner. Gerade einmal 22.000 Zuschauer wollten die Partie in Frankfurter Waldstadion seinerzeit sehen. Noch weitere zehnmal gab es Supercupspiele, dann war der Wettbewerb fürs Erste erledigt.

Jetzt wird er wieder ausgespielt. Der FC Bayern trifft auf Schalke 04. Der Meister spielt gegen den Vizemeister, weil der Meister auch Pokalsieger ist. Man kann den Bayern als Doublegewinner ja nicht einfach den Supercup in die Hand drücken. Das hat sich die Deutsche Fußball Liga (DFL), unter deren Dach der Supercup nun ausgespielt wird, so ausgedacht. In England, wo das Pendant zum deutschen Supercup „FA Community Shield“ heißt, machen sie das auch so. Das Spiel muss stattfinden, schließlich geht es ums Geschäft.

Die Situation im deutschen Fußball hat sich gewandelt, seit der Supercup 1996 das letzte Mal ausgespielt worden ist. Aus einem eher ungeliebten Wettbewerb, mit dem man nach desaströsen Erfahrungen mit 16.000 Zuschauern in Düsseldorf oder 8.000 in Hannover irgendwann nicht einmal mehr Provinzstadien füllen konnte, ist eine Geschäftsidee geworden, die funktioniert. Die Partyzone Bundesliga, in der jedes Jahr neue Rekordumsätze erzielt werden – laut Ligabericht für die Saison 2008/2009 waren es über 2 Milliarden Euro, die in der ersten und zweiten Spielklasse erwirtschaftet wurden –, strahlt auf einen Wettbewerb aus, dessen sportlicher Wert gegen null tendiert. Da kann Schalkes Trainermanager Felix Magath noch so oft sagen, wie sehr er sich darüber freut, dass die neue Saison mit einem „Knaller“ beginnt. Und weil es sich lohnt, tut man sogar beim FC Bayern so, als würde man sich wirklich freuen über die Möglichkeit, einen weiteren Pokal für die Trophäenvitrinen an der Säbener Straße zu holen. Gelassen gehen die Bayern in das Spiel, weil niemand sie dazu verdonnern kann, auch nur einen der elf Spieler einzusetzen, die ihren Post-WM-Urlaub erst am Montag beendet haben. Sie lassen dann einfach die zweite Garde auflaufen. Die WM-Fahrer wurden von Trainer Louis van Gaal für Freitag zu einem Sondertraining eingeladen. Um die richtige Einstellung für das Spiel in Augsburg wird es da sicher nicht gehen. Dann spielen eben andere. Egal. Hauptsache, es bleibt etwas hängen.

In mehr als 170 Ländern wird der zu erwartende B-Kick, wie auch immer, live zu sehen sein, verkündete die DFL. In Deutschland zeigt die ARD das Spiel ab 17.45 Uhr. Ligachef Reinhard Rauball rechnet mit Einnahmen im „siebenstelligen Bereich“. Der Großteil des Geldes wird an die beiden Klubs ausgeschüttet. Die Marketingmaschine Bundesliga läuft wie geschmiert. So wird auch Sportfive, der Vermarktungspartner der DFL für den Supercup, sein Geschäft machen. Drei Präsentatoren für das Spiel waren schnell gefunden. Neben dem omnipräsenten und dauerschlingernden Bezahlsender Sky eine Onlinedruckerei und ein taiwanischer Bildschirmhersteller. Weitere Interessenten, die sich auch einmal auf der Bühne Bundesliga präsentieren wollten, mussten sich mit Plätzen auf der LED-Bande zufriedengeben. Das Spiel einer B-Elf des FC Bayern gegen Schalke 04 mitten in der Vorbereitung ist ein Vermarktungsselbstläufer.

Und die Kulisse wird auch stimmen. Das Stadion in Augsburg wird, wie der Geschäftsführer des gastgebenden FCA, Andreas Rettig, fest versprochen hat, mit über 30.000 Zuschauern ausverkauft sein. Warum eigentlich? Wollen die alle wirklich einen 33-jährigen Spanier namens Raúl sehen, den es irgendwie ins Ruhrgebiet verschlagen hat? Oder ist längst egal, was auf dem Platz gezeigt wird?

Die Bundesliga und mit ihr der Supercup ist zur Gelddruckerei geworden. Weil das so ist, wollten die Klubs selbst unbedingt, dass der Wettbewerb wiedereingeführt wird. Als vor zwei Jahren der damalige Meister und Pokalsieger Bayern München kurz vor der Saison gegen Borussia Dortmund, die den Bayern im Pokalfinale unterlegen waren, spielte, da bettelten sie die DFL regelrecht an, das Spiel als offizielle Supercup-Partie vermarkten zu dürfen. Und das Spiel zwischen Vorjahresmeister und VfL Wolfsburg und Werder Bremen, damals Pokalsieger, wurde von den Klubs als inoffizielle Supercup-Partie bezeichnet. Ein paar Euro hat das gewiss gebracht.

Mit 3:1 gewann 1991 der 1. FC Kaiserslautern den Supercup gegen Werder Bremen. Spieler des Spiels war ein gewisser Jürgen Degen, der zwei Tore für die Pfälzer schoss. An ihn und das Spiel können sich wohl nicht einmal mehr die 8.000 Zuschauer, die es seinerzeit live in Hannover miterlebt haben, erinnern. Auch das Spiel der Bayern gegen Schalke am Samstag wird wohl schnell vergessen sein – es sei denn, jemand flippt derart aus wie Uli Stein im Jahre 1987. Gelohnt hat es sich dennoch. Das steht schon vor Anpfiff fest.