RUDOLF BALMER ÜBER DEN NEUEN PATZER DER FRANZÖSISCHEN REGIERUNG
: Das alte Familienrecht bleibt

Frankreichs Linke hat darauf gewartet, dass die Regierung in die Offensive geht. Gegen die reaktionäre Rechte, die seit Wochen gegen die Homoehe, gegen Abtreibung und gegen jede fortschrittliche Familienpolitik und den Kampf gegen geschlechtliche Diskriminierung demonstriert. Stattdessen hat die Linksregierung kapituliert.

Einen Tag nach der Kundgebung der konservativsten Kräfte des Landes gegen die „familienfeindliche“ Regierung hat Premierminister Jean-Marc Ayrault die Debatte über eine im Kern bereits bescheidene Reform der Familienpolitik auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das mutet taktisch nicht nur dilettantisch an, sondern ist für die verbliebenen Anhänger der grün-roten Koalition schlicht unverständlich. Gewiss mag es manchmal weise sein, eine Debatte mit solch gesellschaftlicher Sprengkraft abkühlen zu lassen, entsprechend der Devise des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand „Laisser du temps au temps“. Doch aktuell signalisiert der unvermittelte Verzicht auf die familienpolitische Parlamentsdebatte politische Panik, und die Bewegung des reaktionären Printemps Français triumphiert bereits und fühlt sich zu neuen Angriffen ermuntert.

Das ist umso peinlicher, als die regierende Linke keine Veranlassung zu diesem defensiven Rückzug hatte. Ihre Gegner entlarven sich mit radikalen Forderungen selbst als Extremisten. Die bürgerliche Opposition steht deswegen vor einem Dilemma und ist gespalten, während die Regierung über ausreichende Mehrheiten im Parlament verfügt, und ihre Basis erwartet nur eines: dass das Wahlprogramm von François Hollande in die Tat umgesetzt wird. Es bleibt die geringe Hoffnung, dass dieser seinen Premier von seinem Rückzug zurückpfeift.

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