Folter in US-Haft war im Irak die Regel

Auch nach dem Skandal von Abu Ghraib misshandelten US-Soldaten Häftlinge – mit Billigung der Kommandeure, heißt es im jüngsten Bericht von Human Rights Watch. Für harte Verhörmethoden gab es ein Formular, das abgezeichnet werden musste

BERLIN/NEW YORK taz/afp ■ Anders als von der US-Regierung behauptet, waren Misshandlungen an Häftlingen im Irak nach Erkenntnissen von Human Rights Watch (HWR) die Regel und von höherer Stelle autorisiert. In dem gestern veröffentlichten Bericht „Kein Blut, kein Verstoß“ dokumentiert HWR Aussagen von US-Soldaten, nach denen die Armeeführung Misshandlungen nicht nur tolerierte, sondern dazu ermunterte.

Der HWR-Bericht erscheint zu dem Zeitpunkt, an dem die Mitglieder der Bush-Regierung und die Kongressabgeordneten intensiv darüber diskutieren, ob die Genfer Konvention für die Behandlung von Gefangenen Anwendung findet. Derzeit sitzen nach offiziellen US-Angaben noch 14.000 Iraker in US-Haft.

John Sifton, Autor des HWR-Berichts, sagte in New York: „Den Soldaten wurde mitgeteilt, dass die Genfer Konvention keine Anwendung findet und dass bei Verhören von Gefangenen Misshandlungspraktiken angewendet werden können, um sie zum Sprechen zu bringen.“ Die Aussagen entkräfteten die Behauptung der US-Regierung, dass Folter im Irak nicht genehmigt sei und nur in Ausnahmefällen vorkäme. „Das Gegenteil ist der Fall: Diese Praktiken wurden stillschweigend geduldet und häufig angewandt“, fügte Sifton hinzu.

Dem Bericht zufolge wurden Häftlinge auch nach dem Folterskandal von Abu Ghraib im Mai 2004 geschlagen, mussten schmerzhafte Haltungen einnehmen und wurden Schlafentzug oder extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Aus den Aussagen geht hervor, dass Gefangene im Irak zwischen 2003 und 2005 bei der Festnahme und im Verhör regelmäßig misshandelt wurden und dieses Verhalten genehmigt war. Soldaten, die Misshandlungen melden wollten, wurden abgewiesen oder schlicht ignoriert. Einige der schlimmsten Misshandlungen wurden dem HRW zufolge von einer Sondereinheit verübt, die im Camp Nama im Flughafen von Bagdad stationiert war. Die dort Inhaftierten wurden nicht beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes registriert, was gegen das Völkerrecht verstößt. Ein Mitglied des Vernehmungspersonals in Camp Nama berichtete, dass man von Vorgesetzten der Verhöreinheit zu Misshandlungen ermutigt wurde. Viele Praktiken wurden über den Befehlsweg genehmigt. Dafür gab es ein vorgefertigtes Formular im Computer, auf dem angekreuzt wurde, welche Methoden angewendet werden sollen. Ein Soldat berichtet: „Wollte man beim Verhör harsche Methoden einsetzen, musste man es sich abzeichnen lassen. Ich habe kein einziges Blatt gesehen, das nicht unterschrieben wurde. Dafür war der jeweilige Kommandant zuständig.“ Die Misshandlungen wurden in Camp Nama während des Jahres 2004 fortgesetzt, selbst nachdem mehrere Militäroffiziere Beschwerden eingereicht hatten.

Für HWR-Berichterstatter Sifton ist klar, dass Angehörige der Armeeführung für die Folter verantwortlich sind. Bisher wurde kein einziger ranghoher Armeeoffizier belangt. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, ein Dutzend Untersuchungen habe keine Hinweise darauf erbracht, dass die Misshandlungen auf Vorgaben hin geschehen seien oder gedeckt worden wären. CA