Integration geglückt – einen Pass gibt es nicht

Seit der Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes leben tausende Ausländer in Österreich in einer rechtlichen Grauzone. Ohne Papiere sind sie von Abschiebung bedroht und erhalten auch keine Sozialleistungen für Familien

WIEN taz ■ Im Hollywood-Film „Terminal“ lebt Tom Hanks als unerwünschter Einwanderer auf dem Flughafen von New York und kann weder ein- noch ausreisen. Ähnlich ergeht es dem Afghanen Farid G. Allerdings lebt er nicht auf dem Flughafen Wien Schwechat, er arbeitet nur dort. Aber ausreisen darf er mangels Pass auch nicht. Und sein Aufenthalt ist prekär. Denn sein Asylantrag wurde abgewiesen. Aber Afghanistan gehört zu jenen Staaten, in die nicht abgeschoben werden kann. Sein Status heißt „subsidiärer Schutz“, auch „kleines Asyl“ genannt.

Farid gehört zu jenen Ausländern, die auch von der Regierung gern als Beispiele geglückter Integration vorgezeigt werden. Er lebt seit 2000 in Wien, hat einen festen Job beim Reinigungsunternehmen des Flughafens und spricht mit seiner kleinen Tochter und seiner russischen Frau nur Deutsch. Derzeit lernt er für den Führerschein. Noch vor kurzem hätte er nach sechsjährigem Aufenthalt die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.

Doch mit dem seit März geltenden neuen Staatsbürgerschaftsgesetz wurden sämtliche Fristen verlängert. Die Verleihung nach sechs Jahren und nachgewiesener Integration wurde gestrichen. Farid G. muss jetzt bis 2015 warten. Bis dahin bleibt er ohne Pass. Auch Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld stehen ihm und seiner Frau nicht mehr zu. Steuern und Sozialabgaben nimmt der Staat aber gern entgegen. Sollte Afghanistan eines Tages als sicherer Staat eingestuft werden, ist Farid Kandidat für die Abschiebung.

„Der Fall zeigt, wie es um das Thema Integration in Österreich wirklich bestellt ist“, meint die grüne Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits, „Integrationsanreize werden aus dem Gesetz gestrichen.“ Jährlich bekommen zwischen 700 und 1.000 Menschen in Österreich „kleines Asyl“ zugesprochen. Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz sorgt dafür, dass mehrere tausend Menschen in einer rechtlichen Grauzone bleiben werden.

Die Regierung freut sich über den Rückgang bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Aus Niederösterreich werden bis zu 80 Prozent weniger als 2005 gemeldet. Ähnlich verhält es sich mit der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Innenministerin Liese Prokop zog unlängst Bilanz nach sechs Monaten Fremdenrechtsreform: ein Rückgang von 73,3 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2005.

Die offizielle „Statistik Austria“ hat andere Zahlen. Der Demograf Gustav Lebhart kann nur einen Rückgang der Zuwanderung von 23.000 auf 14.000 Personen bestätigen. Anders als das neue Staatsbürgerschaftsrecht, wurde das verschärfte „Fremdenpaket“ auch mit den Stimmen der SPÖ beschlossen. Inzwischen wollen allerdings viele Sozialdemokraten den vom kleinen Regierungspartner BZÖ geforderten Massenabschiebungen politisch entgegentreten.

Parteichef Alfred Gusenbauer sorgte am Wochenende für Aufregung im Regierungslager, als er in einem Interview derartige Pläne verurteilte: „Wir müssen die illegale Zuwanderung stoppen, die legale ordnen und das Problem nicht verleugnen, sondern die Integration verstärken. Es ist besser, die Leute, die da sind, zu legalisieren. Das ist besser für den Arbeitsmarkt, die Sicherheit.“ ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka warnte vor einer drohenden Invasion illegaler Ausländer und dem Kollaps des Arbeitsmarkts. Gusenbauers Vorschlag sieht er als „Vorleistung für eine rot-grüne Koalition“. RALF LEONHARD