Kita-Plätze als Anreiz für mehr Geburten

Das Ruhrgebiet steht wegen des demographischen Wandels vor enormen finanziellen Problemen. Die Kleinstadt Laer zeigt unterdessen, wie eine Stadt kinderfreundliche Bedingungen schaffen kann – mit Erfolg

Bei der Bildung ist von Demographie-Gewinnen die Rede, doch in den meisten anderen Feldern wie Soziales oder Infrastruktur bringt die alternde Gesellschaft vor allem Probleme mit sich. Etwa im Ruhrgebiet: „Bei dem erwarteten massiven Bevölkerungsrückgang müssten die Ruhrkommunen 600 Millionen Euro einsparen, um den Standard zu halten“, sagt Martin Junkernheinrich von der Universität Münster. „Sie können ja nicht einfach die Sozialhilfe kürzen oder Straßen stilllegen.“ Junkernheinrich schlägt vor, Personal zu entlassen, Weihnachtsgelder der Beamten zu streichen, bei der Kultur zu sparen. „Brauchen wir in jeder Ruhrkommune ein Musiktheater?“, fragt er. Auch die Verkehrsbetriebe selbst sollten sparen, etwa durch Zusammenarbeit zwischen den Kommunen. Für Junkernheinrich drängt die Zeit. „Wir müssen jetzt eingreifen, sonst sind wir nur noch ein Opfer der Entwicklung.“

In der Tat ist das Ruhrgebiet in gewisser Weise Vorreiter für das Demographie-Problem in Deutschland. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat etwa Gelsenkirchen in den vergangenen zehn Jahren bereits 5,7 Prozent Einwohner verloren, bis 2020 verlassen weitere knapp zwölf Prozent die Stadt.

Wie man diesen Trend stoppen oder sogar umkehren kann, zeigt die Kleinstadt Laer im Münsterland mit ihren gut 6.000 Einwohnern. Mit 13,5 Geburten jährlich auf 1.000 Einwohner liegt Laer weit über dem Durchschnitt – bundesweit liegt die Zahl bei 8,7 Neugeborenen. Der Grund dafür ist das gute Angebot an Kinderbetreuung, ist Regina Raue überzeugt, die als Erzieherin im Henrich-Valck-Kindergarten in Laer arbeitet. Mehrere Kindergärten mit Nachmittagsbetreuung und eine Ganztags-Grundschule stehen den Laerern zur Verfügung. Außerdem gibt es eine öffentlich geförderte Elterninitiative, die Kinder im Alter von vier Monaten bis sechs Jahren betreut. Jedes Kind, das einen Betreuungsplatz braucht, bekommt auch einen. „Alle Kinder werden erfasst“, sagt Raue. „Das ist schon paradiesisch hier“, schwärmt auch Inge Behler, Leiterin des Ganztagszweigs der Grundschule.

Diese Absicherung erleichtert den Frauen in Laer den Spagat zwischen Arbeit und Kindern. „Kinder haben bei uns Priorität“, sagt der grüne Bürgermeister Hans-Jürgen Schimke. Er ist Landesvorstandsmitglied im Kinderschutzbund. 1999 machte Schimke Familienpolitik zum Wahlkampf-Thema und gewann – inmitten einer CDU-Hochburg. Der Nachwuchs ist für die strukturschwache Gemeinde auch eine Einnahmequelle: Für jeden Einwohner erhält die Stadt 500 Euro jährlich vom Land NRW. „Laer hat die Zeichen der Zeit erkannt“, meint Kerstin Schmidt, Demographie-Forscherin bei der Bertelsmann-Stiftung. Denn: „Kinderbetreuung muss endlich als Investition in den Standort begriffen werden“. SEBASTIAN HEISER