„Hamburg ist offener“

VORTRAG Warum die moderne Großstadt Vielfalt braucht und Menschen selten sesshaft bleiben

■ 59, Professorin für Stadt- und Regionalsoziologie an der Hafencity-Universität Hamburg (HCU).Foto: HCU

taz: Frau Breckner, ist Hamburg eine weltoffene Stadt?

Ingrid Breckner: Ich habe vorher in München gelebt und empfinde Hamburg offener, weil die Stadt aus ihren internationalen Bezügen viele Erfahrungen mitbringt.

Einmal Hamburger, immer Hamburger – gibt es diese Lebensvorstellung heute überhaupt noch?

Hamburger identifizieren sich stark mit ihrer Stadt. Dennoch sind viele aus beruflichen Gründen gezwungen wegzuziehen. Gerade Hamburger versuchen oft wieder zurückzukehren. Das ist allerdings ein bekanntes Phänomen. Der Mensch versucht an dem Raum festzuhalten, wo er sich gut auskennt. Weltoffenheit entsteht dann dadurch, dass auch neue Leute dazukommen.

Fällt es Menschen heute leichter, sich von ihrer gewohnten Umgebung zu lösen?

Es gibt durchaus auch freiwillige Mobilitätsprozesse. Ich nehme mich selbst als Beispiel. Ich bin gerne hierher gezogen, weil ich als Stadtforscherin eine andere Stadt unter die Lupe nehmen wollte.

Kann man eine verstärkte Zuwanderung nach Hamburg beobachten?

Nach Hamburg ziehen viele Menschen wegen der Arbeitsplätze. Die Stadt ist jedoch nicht für alle offen. Es würden sehr viel mehr Menschen nach Hamburg kommen, wenn sie könnten. Es gibt durchaus noch Handlungsbedarf.

Wo sehen Sie den?

Im Umgang mit Flüchtlingen und Obdachlosen beispielsweise. Immer dann, wenn es um vermeintlich unangenehme oder schwierig zu handhabende Themen geht. Weltoffenheit bedeutet auch, eine andere Flüchtlingspolitik zu verfolgen und mehr Menschen Asyl zu gewähren.

Gibt es in Hamburg noch eine eigene Stadtkultur?

Hinter die Frage würde ich auch ein Fragezeichen setzen. Eine Kultur? In Hamburg findet man insbesondere die quartierliche Alltagskultur. Umso größer eine Stadt ist, umso eher leben die Menschen in einzelnen Quartieren. Dort bilden sich dann eigene Kulturen aus. Dass es eine einzige Charakterisierung geben soll, wie zum Beispiel die von Hamburg als Hafenstadt, ist dagegen eher ein Mythos. Er wird in der Realität nicht gelebt.

INTERVIEW: NORA KOLHOFF

„Die weltoffene Stadt. Vom hegemonialen Diskurs zur Alltagspraxis“: 20 Uhr, Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36