LESERINNENBRIEFE
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Tötungsmandat herbeigeschrieben

■ betr.: „Das Mandat zum Töten“, taz vom 29. 7. 10

Ausgerechnet unter „Rechtskunde“ versucht Christian Rath mit einigen Winkelzügen für die Bundeswehr das Mandat zur „gezielten Tötung (targeted killing) von Taliban“ herbeizuschreiben, nicht ohne den treuherzigen Hinweis, die Bundeswehr trage Taliban nur in der Spalte „capture“ der Feindesliste ein, nicht in der Spalte „capture/kill“. Anders gesagt: Sie hat zwar geraucht, aber nicht inhaliert. Nein, weder Grundgesetz, Völkerrecht noch das Mandat des Bundestages oder das der Isaf erlauben der Bundeswehr in diesem nichtinternationalen, bewaffneten Konflikt die gezielte Tötung („nachts im Bett“) von verdächtigen, „nichtstaatlichen Aufständischen“ außerhalb von „konkreten Kampfhandlungen“. Diese Art von hochtechnisierter und für die eigenen Truppen verlustarmer Aufstandsbekämpfung mittels Raketenbeschuss oder Bombardierung ist für die betroffene Bevölkerung vom Terror der Bombenleger am Straßenrand nicht zu unterscheiden und schürt den Konflikt. Daran und an der Legalisierung dieser miesen Praxis können Anhänger von Menschenrechten und Demokratie kein Interesse haben. EIKE BOLLAND, Kassel

Die Linke zu Wort kommen lassen

■ betr.: Allgemeiner Eindruck von der taz

Ein netter Mensch hat mich (Brandenburgerin) zu einem Kurzurlaub in den schönen Westberliner Bezirk Lichterfelde eingeladen. Dort durfte ich täglich Ihr Blatt lesen und mir einen ersten Eindruck verschaffen. Mir wurde die Zeitung als eher links orientiert vorgestellt. Ich bin politisch nicht übermäßig interessiert, doch staunte ich nicht schlecht, dass die taz wohl nicht so recht im Fünf-Parteien-System angekommen ist. Ich lese dort Vergleiche Schwarz-Gelb gegenüber Rot-Grün, Stellungnahmen der Grünen zu Afghanistan. Aber die maßgebliche linke Kraft ist so gut wie nicht vertreten. Deshalb möchte ich Sie aus dem fernen Brandenburger Land mit der Partei Die Linke bekannt machen. Es wäre schön, wenn Sie auch mal deren Politiker zu Fragestellungen und mit Stellungnahmen zu Wort kommen ließen. EVELINE PRILLWITZ, Bergfelde

Schutz vor negativen Einflüssen

■ betr.: „Jugend? Alle einsperren!“, taz vom 27. 7. 10

Der Artikel hat mich, der ich seit über 30 Jahren mit „unterprivilegierten“ Jugendlichen arbeite, sehr geärgert. Das Buch von Kirsten Heisig wird dazu missbraucht, um alte Klischees wieder aufzutischen. Und tausende von SozialpädagogInnen und ErzieherInnen werden als „Wärter“ und potenzielle Missbraucher diffamiert. Heisigs Buch ist viel differenzierter: Sie fordert einerseits klare Haltung und Stopps gegenüber Gewalt und massiver Kriminalität von Jugendlichen, wie sie es im Neuköllner Modell praktiziert hat, aber auch wirkliche Integration von Kindern und Eltern, die sie engagiert unterstützt hat. Seit achteinhalb Jahren arbeite ich in der Schweiz mit Jungen aus Exjugoslawien, die dieselben Verhaltensweisen zeigen wie die türkischstämmigen und arabischen Jugendlichen in Berlin. Diese Jugendlichen sind durch ihr Verhalten die besten Unterstützer für die rechtsnationale Volkspartei und das Minarettverbot. Ich habe dort auch in einer geschlossenen Gruppe mit „eingesperrten“ Jugendlichen gearbeitet. Aber wenn sie ihren Schock über das Eingeschlossensein verdaut haben, sind viele Jugendliche froh, dass man ihnen einen Stopp gesetzt hat, weil sie selbst wissen, dass es nur noch weiter bergab gegangen wäre. Und immer wieder haben wir es erlebt, dass Jugendliche, vor allem Mädchen, es darauf angelegt haben, wieder eingewiesen zu werden, weil sie dann vor den negativen Einflüssen draußen geschützt waren und sehr intensiv betreut wurden. GERHARD HÜGEL-BOHLIG, Allensbach