„Für die meisten ist die Harmonika ein Spielzeug“

FOLK AUS NORDEUROPA Die finnische Band „Sväng“, die jetzt in Hitzacker gastiert, besteht aus vier Mundharmonika-Virtuosen. Was an diesem winzigen Instrument so reizvoll ist und warum es meist unterschätzt wird, erklärt Gründer Jouko Kyhälä

■ schloss 1999 als Erster überhaupt sein Studium mit dem Hauptinstrument Harmonika ab. 2007 wurde er Doktor der Harmonika.  Foto: privat

taz: Herr Kyhälä, warum lieben Sie die Mundharmonika?

Jouko Kyhälä: Weil sie so klein ist. Weil sie so bescheiden aussieht – und dabei so facettenreich und virtuos ist. Man kann sie immer bei sich haben und die größten Kunststücke auf ihr vollführen. Das weiß aber kaum jemand. Die meisten betrachten die Harmonika als Spielzeug.

Dessen technische Möglichkeiten begrenzt sind …

Nein, sind sie nicht. Wenn du das Instrument beherrschst, gibt es keine Grenzen. Die vermeintlichen Beschränkungen sind ausschließlich spieltechnischer Natur.

Wann haben Sie selbst die Mundharmonika entdeckt?

Mit 14. Eigentlich spielte ich damals Keyboard. Irgendwann habe ich Aufnahmen von Harmonika-Rigs gehört. Ich lieh mir ein Instrument und erlebte, was wohl jeder erlebt: dass der Anfang leicht fällt, es aber extrem schwer ist, über dieses Easy-Playing hinauszukommen. Die meisten geben dann auf. Auch ich habe lange gezögert, die Harmonika zu meinem Hauptinstrument zu machen. Mit 21 – ich studierte bereits Folk an der Musikhochschule in Helsinki – habe ich einen Harmonika-Lehrer getroffen, der mir die Augen öffnete. Ich habe dann bald vom Keyboard zur Harmonika gewechselt.

2003 riefen Sie das Harmonika-Quartett „Sväng“ ins Leben. Warum?

Ich war damals Harmonika-Lehrer an der Sibelius-Akademie in Helsinki. Einer meiner Schüler war mein heutiger Band-Kollege Eero Turkka. Er musste für sein Harmonika-Examen ein Stück schreiben. Ich habe ihm vorgeschlagen, doch mal eins für vier Harmonikas zu komponieren. Daraufhin wurde Turkka sehr aufgeregt – und tat es. Die Chance bestand darin, ein modernes Folk-Stück zu schreiben, das sich von Repertoire anderer Harmonika-Bands unterschied. Sie waren meist auf Stücke aus den 1940er, 50er Jahren spezialisiert. Wir wollten etwas anderes machen: Folklore, die zwar starke finnische Wurzeln hatte, aber zugleich internationale Elemente einbezog. Also haben wir zwei weitere Mitspieler – Eero Grundström und Pasi Leino – gesucht und uns ans Komponieren und Spielen gemacht. Ich selbst spiele bei Sväng übrigens manchmal ein weiteres seltenes Instrument, die Harmonietta. Das ist eine Art erweiterte Harmonika mit Knöpfen.

War die Band nie in Versuchung, sagen wir: eine Toccata von Bach zu spielen?

Nein. Mir liegt nichts daran zu beweisen, dass wir so etwas auch können. Wie sind sehr zufrieden damit, unsere eigene Musik zu spielen. Klassische Musik interessiert mich auch nicht besonders. Und was Bach betrifft: Der klingt auf der Orgel wirklich besser. Einmal allerdings haben wir bei einem Klassikfestival Chopin gespielt. Wir haben allerdings nicht versucht, den chopin’schen Klavierklang zu imitieren. Sondern einen folkloristischen, einen Sväng-Chopin daraus gemacht. INTERVIEW: PS

Sväng und der finnische Schreichor Huutajat: 7. 8., 20 Uhr, Verdo-Konzertsaal, Hitzacker