Klima im Wandel

Bei der gegenwärtigen Hitzewelle wird der Ruf nach einer erlösenden Klimaanlage immer lauter. Aber ist das nicht eine Umweltsünde? Und trotzdem egal? Für und Wider einer schwierigen Frage

Ja, selbstverständlich sind Klimaanlagen ein Gottesgeschenk – auch wenn wir dieses Geschenk in unseren Breiten bisher nicht so richtig zu schätzen wussten. Doch das ändert sich ja derzeit, so langsam und sicher wie das Klima selbst.

So alt wie der Schweißfleck, der Sonnenbrand oder der Hitzestich sind auch die menschlichen Versuche, das Wetter in unserem Sinne zu beeinflussen. Selbst ein hitzefester Fürst wie der Maharadscha von Jaipur hat sich in seinem Palast gerne von segelgroßen Fächern belüften lassen, die von Sklaven in einem Nebenraum über Seilzüge bedient wurden. Auch die maurische Alhambra im heißen Granada ist, klimatechnisch betrachtet, ein einziger labyrinthischer Windkanal.

Heute, da die Sklaverei abgeschafft und die Mauren vertrieben sind, kann die Frage nach dem rechten Klima privat beantwortet werden. Wie einer abweisenden Umwelt einladende Oasen abzutrotzen sind, lernt der Tourist vor allem bei einem Besuch in den USA, dem Mutterland der Klimatechnik: Aus dem klimatisierten Flugzeug geht’s in den klimatisierten Flughafen, von dort mit dem klimatisierten Shuttle ins klimatisierte Hotel, wo man nach einem Drink in der klimatisierten Bar angstfrei wegdämmern kann, weil dort vermutlich sogar die Träume „air condition“ haben.

Klar, aus Rücksicht auf die Natur sollten alle Klimaanlagen dieser Welt sofort verschrottet werden. Aber nimmt die Natur etwa Rücksicht auf uns? Sie tut es nicht: „Tückisch an dieser Hitze ist“, steckte mir neulich ein Kollege im Vertrauen, „dass sie dich gleichzeitig fertig und geil macht.“ Bedarf es noch eines weiteren Arguments für die Vollklimatisierung? Schon heute gibt es in jedem deutschen Haushalt mindestens einen Raum, der immer wohlig kühl ist. Wenn es nur nicht so verdammt eng wäre im Kühlschrank. FRA

Natürlich sind Klimaanlagen Teufelszeug – für das Klima, denn irgendwo muss die warme Luft ja hin, und für die Gesundheit. Wer das Gegenteil behauptet, war noch nie in den USA. So zerrissen das Land sich manchmal auch präsentieren mag, so einig ist es beim Thema Klimaanlagen: Es liebt die Dinger. So sehr, dass es alle Nachteile klaglos in Kauf nimmt, die mit den rumpelnden Kästen an den Häusern oder den Lüftungsschlitzen in den Autos einhergehen.

Zum Beispiel die chronische Verstopfung der Nase. Gefühlt ist jede zweite US-amerikanische Nase samt Nasennebenhöhlen ganzjährig verstopft. Dutzende Nebenhöhlenmedikamente und die steigende Neigung, die Ursache des Schnupfens operativ entfernen zu lassen (gemeint ist nicht: die Klimaanlage abbauen), beweisen das. Gründe für dieses Phänomen sind die häufigen Wechsel vom teils subtropischem Klima außerhalb der Gebäude (schwitzen!) in die auf Pullovertemperatur abgekühlten Räume drinnen (frieren!) und zurück (turboschwitzen!). Weitere so entstandene Gebrechen: Kopfschmerzen, trockene Augen, halbseitige Lähmungen.

Man kann Klimaanlagen freilich auch als Folterinstrument missbrauchen. Wer sie, womöglich im Hochsommer, abstellt, hält seine Mitmenschen als Geiseln. Wer sie nicht reparieren kann oder will, ebenfalls. Besser ist es da, wenn alle unter der gleichen Bedingung des ständigen Zerfließens leben und arbeiten. Das bisschen Aggressivität, das dabei aufkommt, lässt sich durch intelligentes Lüften übrigens vertreiben.

Außerdem: Wie lange dauert ein Sommer in Deutschland? Und wie heiß ist er wirklich? Rechtfertigt das Investitionen im vierstelligen Bereich? Sollten wir nicht stattdessen etwas leidensfähiger werden? Ja, wir sollten. Weg mit den Klimaanlagen aus Gebäuden! Her mit der Luft! DOS