WOLFGANG GAST ÜBER DIE ANKLAGE GEGEN VERENA BECKER
: Die aufgerollte RAF

Jetzt also doch. Der Prozess gegen die frühere RAF-Frau Verena Becker wird eröffnet. Wer geglaubt hatte, das oberste Gericht in Baden-Württemberg werde seine Zustimmung zu einem neuen Verfahren gegen die vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigte Becker verweigern, hat verloren. Abzusehen ist: Niemand wird von dem neuen Verfahren profitieren. Der Rechtsstaat und sein Justizsystem nicht, die juristische Aufarbeitung des RAF-Terrorismus nicht, und auch für die Hinterbliebenen der von der RAF ermordeten Opfer wird – 12 Jahre nach dem offiziell verkündeten Ende der Roten Armee Fraktion – eine Neuaufführung im Bunker von Stuttgart-Stammheim nichts bringen.

Dass es 33 Jahre nach dem Mord an Siegfried Buback zu dieser Neuaufführung kommt, ist dem beharrlichen Auftreten seines Sohns Michael Buback geschuldet. Dem Freiburger Chemieprofessor ist es gelungen, einen so großen öffentlichen Druck aufzubauen, dass sich die Generalbundesanwältin Monika Harms am Ende genötigt sah, ein aussichtsloses neues Verfahren auf den Weg zu bringen.

Die Generalbundesanwältin weiß wohl, wie riskant ihre Anklageerhebung ist. Wenn neue Indizien dafür sprechen sollen, Verena Becker drei Jahrzehnte nach der Tat nun einer Mittäterschaft überführen zu können – was dann, wenn es auch Indizien dafür gibt, dass ein wegen des Mordes Verurteilter an der Tat nicht beteiligt war? Im Fall von Stefan Wisniewski, der als Mittäter verurteilt wurde, haben andere RAF-Mitglieder ausgesagt, Wisniewski könne zum Zeitpunkt des Mordes gar nicht am Tatort gewesen sein. Es scheint aber, dass die Anklägerin Harms diesen Fall in einem neuen Prozess nicht so gerne wieder aufgerollt sehen will.

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