Fräsen, beizen, rechnen

Man gewöhnt sich an alles: Seit fast drei Jahren lernen die Schüler der Kinderschule Bremen hinterm Bauzaun

Lautes Hämmern, Krachen und Brummen dringt durch die geöffneten Fenster in den Unterrichtsraum. Rebecca bringt das nicht aus der Fassung. Souverän führt die Zehnjährige den Mitschülern ihr Abschlussprojekt in Werken vor: einen Kleiderschrank im Miniformat mit echten Türen und allem was dazugehört. „Man gewöhnt sich eben an den Lärm“, sagt sie. Ein halbes Jahr haben die Kinder der grünen Klasse an ihren Projekten gewerkelt – seit fast drei Jahren arbeiten auf dem ehemaligen Hof der Freien Kinderschule Baukräne und Bagger an Maisonette-Wohnung „Colmar“ und Townhouse „Belfort“.

Das ehemalige Schulgelände Lothringer Straße war im Juni 2003 von der Stadt an einen privaten Investor verkauft worden. Noch im Oktober desselben Jahres rückten die Bautrupps an, um große Teile des Geländes in den Wohnpark „La Ville“ zu verwandeln. Die Domino Projektentwicklungsgesellschaft verspricht „eine neue Form urbanen Wohnens in Bremen“. Turnhalle, Schulgarten und ein Großteil des Schulhofs der Kinderschule mussten weichen: „Jedes Mal, wenn wir aus den Ferien kamen, war der Bauzaun ein Stückchen näher gerückt“, erinnert sich die achtjährige Henriette.

Durchs Fenster sieht man einige Jungs auf dem Hof Fußball spielen. Viel Raum zum Dribbeln bleibt ihnen nicht, dieser wird dafür umso intensiver beackert. Das geht jetzt sogar besser als früher: Der große Steinplatz wurde durch einen kleineren mit Mulchboden ersetzt – und mit einer echten Zuschauertribüne. „Wir haben einfach versucht, konstruktiv mit der neuen Situation umzugehen und das Beste daraus zu machen“, sagt Schulleiter Detlef Papke. In Projektgruppen habe man gemeinsam mit den Schülern Konzepte für eine Umgestaltung des Hofs erarbeitet. Auf dem einstigen Parkplatz vor dem Schulgebäude turnen nun Kinder auf Klettergerüsten, daneben laden zwei bunt-bemalte Bauwagen ein, selbst einmal zum Baumeister zu werden.

Der Umgang mit der Situation an der Kinderschule spiegelt ihr pädagogische Konzept wieder, das sie seit 1980 als freie Ganztags-Schule verfolgt. Im Mittelpunkt steht hier die Projektarbeit in altersgemischten Lerngruppen. Neben dem schulischen Standardangebot können die Kinder hier vom Koch- bis zum Tanzkurs aus einer Vielzahl an Aktivitäten wählen und ihren Schulalltag selbst gestalten.

Doch nicht jeder Verlust kann so aufgefangen werden: „zum Turnen müssen wir jedes Mal zur Schule am Barkhof laufen, da geht ganz schön viel Zeit verloren“, bedauert Rebecca. So ist der Blick von Schulleiter Papke nun nach vorne gerichtet: Am 31. Januar kann die Kinderschule Bremen ihr neues Quartier im Gebäude der Schule auf der Hohwisch beziehen.

Weichen wird dafür ein Teil der schulgeschichtlichen Sammlung Bremen (taz berichtete mehrfach). Darauf habe man jedoch nicht gedrängt, betont Papke, offensiv sei man erst geworden, „als klar war, dass die Sammlung auszieht“. Delf Rothe