Die Schattenmacht

Die syrische Präsenz in Libanon ist zwar vorbei, doch der Einfluss der einstigen Protektoratsmacht scheint ungebrochen

Die prosyrische Fraktion eint das Pochen auf das Recht der Hisbollah, ihre Waffen zu behalten

AUS BEIRUT MARKUS BICKEL

Unter westlichen Botschaftern in Beirut galt Libanons Präsident Emile Lahoud lange als Auslaufmodell: Der Exgeneral sei einfach zu eng mit Syriens Präsident Bashir Assad verbandelt. Zu offiziellen Einladungen des Präsidenten schicken die Botschafter daher seit Monaten nur ihre Stellvertreter. Doch mit Ausbruch des neuen israelisch-libanesischen Konflikts kann sich Lahoud wieder in alter Machtfülle präsentieren. Nicht zuletzt dank des anhaltenden syrischen Einflusses – und seiner Treue zur von ihm als „nationaler Widerstand“ gepriesenen Hisbollah und dessen Statthalter Hassan Nasrallah.

Die Apathie gegenüber dem Vasallen Syriens im Libanon speist sich aus der Zeit des „Beiruter Frühlings“, als nach der Ermordung von Expremierminister Rafik Hariri im Februar 2005 Demonstranten den Sturz Assads forderten: Wochenlang sammelten sich tausende von Libanesen im Zentrum der Hauptstadt, um den Abzug der noch 14.000 Soldaten starken syrischen Einheiten zu fordern. Aufgrund massiven internationalen Drucks gab Syriens Präsident Assad nach – im April 2005 wurden die letzten syrischen Soldaten auf dem Stützpunkt Rayak in der östlichen Bekaa-Ebene abgezogen. Dies war das Ende einer Ära syrischer Militärvorherrschaft, die der damalige libanesische Präsident Suleiman Frangie 1976, ein Jahr nach Beginn des Bürgerkriegs, selbst eingeleitet hatte: Um die drohende Niederlage der christlichen Milizen gegen muslimische und linksgerichtete palästinensische Milizen zu verhindern, bat er Assads Vater Hafis um die Entsendung syrischer Truppen. Im Oktober 1976 beschloss die Arabische Liga mit Zustimmung Beiruts, den syrischen Truppen ein Mandat als panarabische Friedenstruppe zu erteilen. Damaskus stockte sein Kontingent auf rund 40.000 Mann auf.

Dreißig Jahre später ist die syrische Armeepräsenz auf libanesischem Boden zwar vorbei, doch der Einfluss der einstigen Protektoratsmacht scheint ungebrochen. Nicht zuletzt, weil das transatlantische Zweckbündnis aus Frankreich und den USA offenbar beendet ist, das bis zum Herbst 2005 im UN-Sicherheitsrat einen scharfen Kurs gegen Assads Regime geführt hatte. „Wir stehen vor den Trümmern der amerikanisch-französischen Initiative“, klagte der libanesische Premier Fouad Siniora nach einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush im April.

Syrien, so der von einer breiten antisyrischen Allianz unterstützte Siniora, habe „seine Männer weiter im ganzen Land platziert“, deren Ziel es sei, „die Regierung erneut anzugreifen“. Was die prosyrische Fraktion im Libanon eint, ist nicht zuletzt das Pochen auf dem Recht der Hisbollah, ihre Waffen zu behalten. Während Premier Siniora gemeinsam mit dem Sohn des ermordeten Expremiers, Saad Hariri, und dem Chef der Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), Walid Dschumblat, den Abzug syrischer Truppen im April 2005 als Schritt auf dem Weg zu voller Unabhängigkeit und Souveränität feierten, nisteten sich Nasrallah, Berri und Lahoud zunächst ein. Zu groß war der internationale Druck: Schon in seiner Resolution 1.559 von September 2004 hatte der UNO-Sicherheitsrat die Entwaffnung der Hisbollah gefordert.

Doch selbst der hochrangigste syrische Verbündete im politischen System Libanons, Präsident Lahud, konnte sich wegen der nachhaltigen Unterstützung aus Damaskus bis heute im Amt halten. Obwohl schon im vergangenen Herbst von damaligen UNO-Sonderermittler Detlev Mehlis zu seiner Rolle in den Anschlag auf Hariri interviewt, weist er jede Verwicklung in den Mord von sich.