Mathematiker und Folterchef

KAING GUEK EAV Der frühere Chef des Foltergefängnisses Tuol Sleng in Phnom Penh, genannt „Duch“, war einer der brutalsten Kader des Rote-Khmer-Regimes

„Duch“ führte Buch über seine Opfer, sammelte Geständnisse und Fotos von ihnen. 15.000 Männer, Frauen und Kinder wurden in seinem Gefängnis gefoltert und ermordet

BANGKOK taz | Dem schmalen Mann mit den ernsten Augen mag man den Cheffolterer im ersten Moment gar nicht zutrauen. Und doch war Kaing Guek Eav alias „Duch“ verantwortlich für unvorstellbare Gräueltaten. Der heute 67-Jährige leitete während der Herrschaft der Roten Khmer das berüchtigte Gefängnis Tuol Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh. Dort wurden mindestens 15.000 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und ermordet. Nur sieben Menschen überlebten diese Folterhölle.

Duch galt als einer der brutalsten Khmer-Rouge-Kader. Kalt und berechnend habe er das Foltergefängnis geführt, hieß es während des Verfahrens. Nahezu akribisch hatte er über seine Opfer Buch geführt, deren Geständnisse und Fotos von ihnen gesammelt. Diese Unterlagen trugen später mit dazu bei, die Verbrechen von Tuol Sleng zu rekonstruieren.

Geboren wurde Duch am 17. November 1942 in einem Dorf der zentralkambodschanischen Provinz Kampong Thom. Er studierte Mathematik, wurde 1967 Mitglied der Kommunistischen Partei von Kampuchea. Wenig später wurde er wegen kommunistischer Aktivitäten verhaftet. Er saß zwei Jahre lang ohne Anklage hinter Gittern. Nach dem Putsch durch General Non Lol 1970 kam Duch infolge einer Amnestie für politische Gefangene frei. Er schloss sich den maoistischen Rebellen der Roten Khmer an, die 1975 an die Macht gelangten und deren Terrorregime bis 1979 dauerte.

In Phnom Penh harrte der Folterchef bis zuletzt aus – bis der Einmarsch der vietnamesischen Armee Anfang 1979 die Herrschaft der Roten Khmer beendete. Daraufhin floh Duch zusammen mit anderen Funktionären ins Grenzgebiet zu Thailand. Dort hielt er sich jahrelang verborgen – die meisten seiner Opfer hielten ihn für tot. Zeitweise überquerte er die Grenze zum Nachbarland Thailand und lehrte dort Insassen von Flüchtlingslagern Englisch und Mathematik. In den 1990er Jahren konvertierte er zum Christentum. 1999 spürten ihn schließlich Journalisten auf. Duch wurde festgenommen und in ein Militärgefängnis überstellt. Dort saß er acht Jahre ohne konkrete Anschuldigungen ein, ehe er 2007 formell vor dem UN-gestützten Tribunal angeklagt wurde.

Während des im Februar 2009 begonnenen, knapp neun Monate langen Gerichtsverfahrens gestand Duch seine Taten zum Teil und entschuldigte sich bei den Opfern des Terrorregimes: „Ich bin voller tiefer Reue und erschüttert über solch verheerende Zerstörung“, sagte er Ende November 2009 während der letzten Prozesstage.

Zugleich erklärte der Exgefängnisleiter, er habe damals nur Befehle ausgeführt. Er habe Angst um sein eigenes Leben gehabt. Anklägern und Opfern wollte er somit weismachen, er sei nur ein kleines Rädchen in der Mordmaschinerie gewesen. Zwei Tage später forderte er, unterstützt von seinem kambodschanischen Anwalt, gar seine Freilassung. Damit sorgte Duch für einen Eklat. Die Opfer, deren Anwälte sowie die Staatsanwalt waren empört und geschockt.

NICOLA GLASS