Die neue Sachlichkeit

3. LIGA Die Fußballer von Eintracht Braunschweig wollen in der kommenden Saison den Aufstieg mit Ruhe und Geduld schaffen. Zum Saisonauftakt besiegen sie schon mal Dynamo Dresden überzeugend mit 2:1

Die neue Sachlichkeit konnte man am Samstag in Braunschweig direkt nach der Partie gegen Dynamo Dresden beobachten. Was der erste Sieg denn für den geplanten Aufstieg bedeuten würde, wurde Mittelfeldspieler Karim Bellarabi gefragt. „Das waren drei Punkte. Mehr aber auch nicht“, sagte Bellarabi.

In Braunschweig wollen sie Großes erreichen. Sie wissen, dass es dazu viele kleine Schritte braucht. Und darüber hinaus vor allem Ruhe und Geduld.

Das mit der Ruhe ist in Braunschweig aber gar nicht so einfach. Die erfolgreiche Vergangenheit des Vereins führte immer wieder dazu, dass die graue Gegenwart von den Zuschauern ausgesprochen emotional und übertrieben wahrgenommen wurde. Eine kleine Niederlage konnte auf einmal als der Beginn einer großen Krise empfunden werden, ein einziger Sieg als die wunderbare Fortsetzung einer glanzvollen Tradition. „Wir leben in der Gegenwart“, sagt Marc Arnold, der Braunschweiger Sportdirektor und meint damit: Tradition schießt eben keine Tore.

Diese Sentimentalität war lange Zeit ein Problem. Aber auch in dieser Hinsicht hat die unerschütterliche Liebesbeziehung der Fans zu ihrem Verein in den vergangenen Monaten eine beachtliche Entwicklung genommen. „Ich habe den Eindruck, dass die Zuschauer ein Gespür bekommen haben, die Möglichkeiten, die nun einmal so sind wie sie sind, vernünftig einzuschätzen“, sagt Arnold. „Es ist ein Verständnis dafür entstanden, dass die übertriebenen Erwartungshaltungen eben nicht zu den finanziellen Rahmenbedingungen passen.“

Und die sind wie in den letzten beiden Spielzeiten nicht besonders ausgeprägt. Der strenge Konsolidierungskurs wird fortgesetzt, das große Geld und große Namen sucht man in dem nahezu unveränderten Kader vergebens.

Was dem Spiel gegen Dresden an spielerischen Einfällen fehlt, wird durch Leidenschaft ersetzt: Dominick Kumbela bringt Braunschweig vor 17.200 Zuschauern im Stadion an der Hamburger Straße in Führung (9.). Die Gäste, die nach der abgewendeten Insolvenz vor einem sportlichen und wirtschaftlichen Neuaufbau stehen, sind nur bei dem Ausgleichstreffer von Maik Kegel – einem abgefälschten Schuss nach einer frechen Freistoßvariante (13.) – gefährlich. Die Gastgeber vergeben ihre Möglichkeiten allzu verschwenderisch, Deniz Dogan trifft zunächst den Pfosten (21.) und fünf Minuten später die Latte. Das erlösende Tor erzielt Dennis Kruppke (55.).

„Das war ein sehr ansehnliches Spiel“, sagte Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht anschließend. Nach knapp verpasstem Aufstieg im vergangenen Mai will Lieberknecht in dieser Saison mehr. Und dann sagt er einen Satz, der nicht nur für das Spiel gegen Dresden, sondern auch für den Verlauf der ganzen Saison in Braunschweig von entscheidender Bedeutung ist: „Wir haben auch in den kritischen Phasen eine große Ruhe bewahrt.“ CHRISTOPH ZIMMER