Vive la France!

TOUR Frankreich findet in diesem Jahr Gefallen an der Rundfahrt, weil die eigenen Fahrer reüssieren

Durchschnittsgeschwindigkeiten bei der Rundfahrt (in km/h; Sieger):

2010 39,37 (z. Zt. Contador)

2009 40,32 (Contador)

2008 40,50 (Sastre)

2007 39,23 (Contador)

2006 40,78 (Pereiro Sio)

2005 41,83 (Armstrong)

2004 40,71 (Armstrong)

BORDEAUX taz | Frankreich entdeckt die Tour wieder. Gleich sechs Etappensiege feierten die einheimischen Fahrer – und das Bergtrikot hat auch einer der Ihren, Anthony Charteau, gewonnen. In den vergangenen Jahren gab es maximal drei Tagessiege für sie. Gleich viermal haben die Franzosen in diesem Jahr in den Bergen zugeschlagen.

France Televisions kratzt jetzt wieder an der Grenze von durchschnittlich 4 Millionen Zuschauern pro Tag. Einzelne Events wie der Besuch von Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf dem Tourmalet (6,6 Millionen) schießen sogar darüber hinaus. Sarkozys Blitzbesuch beim Bergfinale deutet an, dass die Tour selbst auf den obersten Etagen der Gesellschaft wieder als repräsentabel erachtet wird. Zuletzt wurde nur Sportministerin Roselyn Bachelot vorgeschickt. Die sah sich zu ihrem Leidwesen oft mit Dopingfragen konfrontiert. Dass nun immer mehr Franzosen zusehen, wie immer mehr Franzosen gewinnen, ist das Verdienst der Generation „Post-Festina“. Nach dem Festina-Skandal 1998, dessen Schrecken der nur wenig später folgende Cofidis-Skandal noch verstärkte, wurden in Frankreich rigorose Kontrollen im Männer- und im Nachwuchsbereich im Radsport etabliert.

Das Gesundheitsministerium begann mit Langzeitbeobachtungen der Blutwerte der Athleten. Sportler, die die Werte überschritten, wurden aus dem Verkehr gezogen. Gleichzeitig entstanden neue Nachwuchsrennställe, die zwar von früheren Dopingbefürwortern wie Jean-René Bernaudeau geführt wurden, deren leitendes Personal aber für einen Bruch mit den alten Profi-Ritualen sorgen sollte.

„Eine neue Kultur im französischen Radsport entstand“, behauptet der alte Fahrensmann Marc Madiot, jetzt Teamchef von FDJeux. Zuerst produzierte die neue Kultur vor allem Misserfolge. Seit dem Abtritt der Generation Virenque wurden Einheimische bei der Tour nur gebraucht, um die Blumensträuße zu überreichen. Jetzt aber sind die Absolventen von Bernaudeaus Nachwuchsschule wie Sylvain Chavanel, Thomas Voeckler, Pierrick Fedrigo, Jerome Pineau und Anthony Charteu mental gereift. „Sie glauben mehr an sich. Sie werden nicht mehr auf den letzten sechs bis zehn Kilometern abgekocht“, sagt Madiot, der mit Sandy Casar einen Etappensieger in den eigenen Reihen hat. Die französischen Radprofis gelten nun sogar als Modell für den sauberen und erfolgreichen Athleten. Zweifel werden aber auch laut. Le-Monde-Kolumnist Jacques Bauert errechnete, dass der französische Tagessieger Christophe Riblon beim Ritt nach Ax durchschnittlich 14 Watt mehr Leistung erbrachte als vor fünf Jahren der nicht vom Blutdopingverdacht freie Österreicher Georg Totschnig.

TOM MUSTROPH