Eine neue Hymne für Europa

MUSIK Braucht Europa eine neue Hymne. Oder muss Beethovens Sound nur aufgefrischt werden? Die taz veranstaltet hierzu einen Contest samt Abend-Gala auf dem taz.lab: Bewerbt euch!

■ Mitmachen? Die taz nimmt ab jetzt Ihre Aufnahmen für die neue Europahymne entgegen.

■ Was ist zu tun? Laden Sie Ihr Stück, dass maximal sieben Minuten lang ist, auf Soundcloud unter www.soundcloud.com hoch und senden Sie uns davon einen Link.

■ Was passiert dann? Eine Fachjury wählt aus den Einsendungen acht Stücke aus, die dann in einer Abendgala des taz.labs im Haus der Kulturen der Welt von den Komponisten und Interpreten live präsentiert werden.

■ Wer siegt? Das Publikum im Auditorium des taz.lab entscheidet per Applausometer.

Ideen? Mailen Sie uns bis 28. Februar den Link zu Ihrer Eurohymne an europahymne@taz.de. Einen Preis gibt es auch zu gewinnen, diesen verkünden wir in nächster Zeit.

VON ULRICH GUTMAIR

Klänge der Text nicht so altmodisch, könnte er gut und gern über einen Technotrack gesungen werden. Man kann sich euphorische Synthiemelodien dazu vorstellen, dynamische Klavierakkorde und eine divenhafte Sängerin, aus deren mütterlichem Brustkorb Worte kommen, die überall passen. Nachts im Club oder an einem Vormittag in einem Park: „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elisium / Wir betreten feuertrunken, / Himmlische, dein Heiligthum. / Deine Zauber binden wieder, / Was die Mode streng getheilt, / Alle Menschen werden Brüder, / Wo dein sanfter Flügel weilt.“

So hat Friedrich Schiller über die Freude gedichtet. Er hat sie als göttlichen Seelenzustand beschrieben, in dem die paradiesischen Wiesen des Elysiums aufscheinen. Er hat sie aber auch als Voraussetzung von Freundschaft und Brüderlichkeit gesehen. Obwohl Schiller seine Ode „An die Freude“ später selbst etwas naiv fand, war ihr Erfolg nicht mehr zu stoppen, spätestens als Beethoven sie dem letzten Satz seiner Neunten Sinfonie zugrunde gelegt hat. Ein Chor sollte dazu das Gedicht von Schiller singen.

Die Melodie ist ein Klassiker, und jedeR denkt dabei heute an Europa. Seit 1972 ist sie offizielle Hymne des Europarats, seit 1985 der Europäischen Union – allerdings nur als Instrumental, der Chor singt nicht. Ältere verbinden mit der Hymne Erinnerungen an die Ära des Rundfunks – allerdings auch an Sendeschluss.

Die Melodie, die Harmonien, die sich Beethoven für die Ode ausgedacht hat, sind schön und berührend. Auch am Text ist inhaltlich nichts auszusetzen. Aber das Pathos, das Schiller in den Text und Beethoven in die Musik gelegt haben, treffen heute nicht mehr so ganz den Ton. Womöglich werden sie auch gar nicht mehr verstanden.

Hinzu kommt: Die EU ist nicht Europa. Europa als Idee, Hoffnung und Möglichkeit ist größer als eine politische Union. Größer als eine bürokratische Struktur ist sie sowieso.

Lässt sich das beheben? Geht da noch was? Kann man den Text oder vielleicht auch nur die Ideen von Schiller in gegenwärtige Sprache übersetzen? In welche Sprache wäre das? Müsste eine Europahymne heute in einer Sprache gedichtet werden, die viele verstehen? Englisch, Französisch, Deutsch, Esperanto, oder eine Mischung daraus? Oder wäre das gerade falsch, weil unfair gegenüber den kleineren, nichthegemonialen Sprachen? Sollte eine neue Europahymne vielleicht wie die alte ganz ohne Text auskommen – den dächte man sich wieder mit?

Und wie ist es mit der Musik? Kann man Beethovens Hymne erhalten, aber den Sound modernisieren? Oder soll man sie remixen, vielleicht mit lokalen europäischen Traditionen und solchen aus den vielfältigen Einwandererkulturen verbinden zu einem postnationalen Mashup? Oder wäre es richtiger, neue Musik für ein neues Europa zu komponieren, produzieren und aufzunehmen? Mit einer Band, einem Orchester, einer Blaskapelle, einem Chor oder allein am Rechner oder vor dem Mikrofon?

Wie muss eine Europahymne klingen? Mächtig, laut, gar bombastisch, oder eher filigran, intim und zärtlich? Muss man hören können, dass es bei Europa ganz im Sinne Schillers um Brüderlichkeit, also Gleichberechtigung, Solidarität und Chancen für alle geht? Um die Freude, zusammen mit anderen die Zukunft zu gestalten? Vielleicht nur um den Genuss des Augenblicks?

Wir stellen die Fragen, Antworten finden müssen Sie.

Ulrich Gutmair, 45, verantwortlich für die taz-Berlinkulturseite, ist hymnenaffin sondergleichen