EU WILL NEUES MICROSOFT-MONOPOL VERHINDERN, BEVOR ES ENTSTEHT
: Her mit der Schnittstellen-Dokumentation

Manchmal platzt auch Brüsseler Bürokraten der Kragen. Kein Unternehmen stehe über dem Gesetz, polterte die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, als sie die neue Millionen-Geldstrafe für Microsoft verkündete. Dabei war Kroes bei ihrer Ernennung wegen zu großer Nähe zu dem US-Softwarekonzern selbst umstritten. Aber das ist nun vorbei.

Die Strafe kann Microsoft leicht aus seinen liquiden Mittel von über 26 Milliarden Euro zahlen. Wundern aber wird sich die Konzernleitung, dass ihre PR-Maschinerie nicht funktioniert hat. Noch im Januar trompete der Konzern in die Welt hinaus, das Angebot zur Vorlage des Windows-Quelltextes sei die ultimative Dokumentation der Servertechnik. Das ließ Schlimmes ahnen. Denn der letzte Zoff – um Windows ohne integrierte Abspielsoftware für Musik und Videos – grenzte bereits ans Lächerliche und ließ am Verstand der Kommission zweifeln.

Doch jetzt beeindruckte Microsofts Lobbyarbeit weder Kroes noch ihren technischen Berater Neil Barrett. Sie verlangen nicht etwa nur eine vollständige, sondern vor allem auch eine nützliche Dokumentation der Schnittstellen, die Konkurrenten für die Kommunikation mit Windows-Servern einsetzen müssen. Die EU-Wettbewerbshüter betreten zudem mit dem Verlangen nach Dokumentation der Server-Schnittstellen Neuland. Bislang hat Microsoft bei den zentralen Computern firmeninterner und öffentlicher Netzwerke beileibe keine marktbeherrschende Stellung. Der Konzern strebt aber danach, und zwar durch die regelwidrige Ausnutzung eines Monopols für Arbeitsplatzrechner. Wenn Computer mit Microsoft-Software am besten mit Windows-Servern zusammenarbeiten, wer greift da schon zu Produkten anderer Hersteller, die nicht genau wissen, wie Microsoft das anstellt?

Die EU will durch Verpflichtung zur Offenheit ein neues Microsoft-Monopol verhindern, bevor es entsteht. Kroes ist Rückgrat zu wünschen – und ein erfolgreiches Auftreten beim EU-Gerichtshof, vor dem Microsoft nun klagen wird. JÜRGEN KURI

Der Autor ist stellv. Chefredakteur der Computerzeitschrift c’t