Dieter Wiene empfiehlt
: Tony Conrad & Lilian von Haußen

Tony Conrads Auftritt auf dem Horrorfilm-Kongress „On Rules and Monsters“ vor zwei Wochen habe ich leider wegen Urlaubs verpasst. Aber jetzt kommt er noch einmal nach Bremen, weil es noch so viel zu sagen und zu spielen gibt. Tony Conrad ist eine legendäre, fast der Vergessenheit anheimgefallene Figur der amerikanischen Minimal Music. Zusammen mit den späteren „Velvet Underground“-Mitgliedern John Cale und Angus MacLise sowie dem Pianisten LaMonte Young und seiner Frau Marian Zazeela bildete er das „Dream Syndicate“. Da LaMonte Young später die ganze Konzeption und die Kompositionen (die eigentlich Improvisationen waren), und somit die Erfindung der Minimal Music für sich reklamierte, geriet Tony Conrad in Vergessenheit. Bis vor einigen Jahren das Label Table Of The Elements eine umfassende Aufbereitung der Minimal Music in die Wege leitete. Unter anderem wurden auch ältere Aufnahmen Conrads (darunter eine mit den Krautrockern „Faust“) wieder zugänglich gemacht. Zudem gab es eine Reihe neuer Arbeiten von Conrad. Im Gegensatz zu Young und Zazeela, für die die Minimal Music den Weg zur spirituellen Erleuchtung weisen sollte, sieht Conrad seine Musik als radikale Kritik an einem Wissenschaftsverständnis, das den Menschen an seiner Entfaltung hindert. Seine Ausführungen zur Musikgeschichte – in der Pythagoras die Wurzel allen Übels ist, denn auf seinem mathematischen System basieren die Funktionsharmonik und all die anderen versklavenden Tendenzen westlicher Musik – sind polemisch, unterhaltsam und aufschlussreich. Um 20 Uhr wird er im Paradox mit Christoph Spehr darüber reden. Im Anschluss daran wird er gemeinsam mit Lilian von Haußen die Praxis folgen lassen. Wo die Minimal Music von Young eher das Hintergrundgeräusch für die Meditation bietet, setzt Conrad auf brachiale Sounds. Am häufigsten setzt er elektrisch verstärkte Streichinstrumente ein. Die sonst so süßliche Violine wird in seinen Händen und unter Einfluss der elektronischen Verstärkung zu einem harschen Instrument, dass eine Unmenge von ineinander verschwimmenden Obertönen erzeugt, so genannte Drones. Die Bremerin Lilian von Haußen verwandelt ihr Instrument, die nicht minder süßliche Blockflöte, auf eine ähnlich radikale Weise. Die Flöte wird auseinander genommen und mit Alltagsutensilien präpariert. Die so entstehenden, meist schon recht sperrigen Sounds speist sie in ihr Laptop ein, um sie weiter zu verfremden. Wie das Endergebnis klingen wird, kann man im Voraus nie genau sagen, bei beiden ist wirklich der Prozess das Ziel. Aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird es laut und hypnotisch werden.

Donnerstag, 20 Uhr, Tony Conrad im Gespräch mit Christoph Spehr, 22 Uhr Konzert, Paradox