Die Hoffnung

Südafrika 2010: „Der Pokal bleibt in Afrika“, sagt Präsident Mbeki. Doch es gibt Zweifel – wegen der Verstrickung von Politik und Sport

AUS BERLIN OKE GÖTTLICH

Fußball-Weltmeisterschaften bieten regelmäßig eine Bühne für unvorteilhafte Inszenierungen von Staatsoberhäuptern. Mindestens immer dann, wenn es um den Fußball geht. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki ließ es sich als kommender Gastgeber der Fußballwelt 2010 nicht nehmen, an diesem Schauspiel teilzunehmen. „Africa Calling“ hieß die Veranstaltung, die Mbeki nutzte, um die Fußballwelt im Berliner Tempodrom auf die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent einzustimmen und die Tradition unscharfer Beobachtungen seitens vieler Politiker über den Fußball fortzuführen. Neben dem offiziellen Logo präsentierte Mbeki nämlich auch den seit 16 Jahren wabernden afrikanischen Traum: „Der Pokal wird auf dem afrikanischen Kontinent bleiben“, sagte er im Hinblick auf Südafrika 2010.

Eine verklärte Aussage, die wohl eher vom zweifelhaften Stand der Planungen (siehe nebenstehender Text) ablenken sollte, denn eine ernst zu nehmende Vision darstellt. Gerade Südafrika ist zwar – zumindest in der schwarzen Bevölkerung – fußballbegeistert, doch ihr Nationalteam bietet am wenigsten Anlass dazu. Beim diesjährigen Afrika-Cup in Ägypten sollte der Versuch unternommen werden, die Schmach der Nichtteilnahme an der WM 2006 mit einem jungen Team zu tilgen. Die Mannschaft verabschiedete sich ohne Tor und Punkt gegen Guinea, Tunesien und Sambia aus dem Turnier. Ein neuer Coach ist bis heute nicht gefunden worden. Was vielleicht auch an den übertriebenen Erwartungen an diesen vor der ersten WM auf dem schwarzen Kontinent liegt. Sven Göran Eriksson und Guus Hiddink jedenfalls haben dankend abgelehnt. Dabei könnte die Herausforderung für einen Trainer größer nicht sein. Südafrika ist als Gastgeber automatisch als Teilnehmer qualifiziert, 1996 gewann das Team noch die Afrika-Meisterschaft und die „Bafana Bafana“ wurden als große Hoffnungsträger des Kontinents gefeiert. Auch weil man dem Land am ehesten zutraute, das in vielen afrikanischen Verbänden herrschende Dickicht aus Politik und Sport zu entwirren.

Dies bleibt das scheinbar nie enden wollende Manko des afrikanischen Fußballs und eines der zwei Kernprobleme, die gelöst werden wollen, um nach zwei Viertelfinalteilnahmen 1990 (Kamerun) und 2002 (Senegal) in vier Jahren einen größeren Erfolg zu erreichen. Ratomir Dujkovic, Trainer Ghanas, erhofft sich nach dem Erfolg Ghanas (Achtelfinale), „dass der Internationale Fußball-Verband das zum Anlass nimmt, noch mehr Geld in die Entwicklung des Spiels in Afrika zu pumpen – einen Kontinent, der vor Talenten nur so überquillt“.

Doch Geld ist nicht alles. Die von der Fifa ausgezahlten Prämien und Entwicklungsgelder an die afrikanischen Verbände kommen selten im Fußball an. Zu verlockend ist es für die Staatsoberhäupter, das Geld für andere Zwecke zu nutzen. Nach wie vor herrscht vielerorts die Meinung, dass Fußballer doch genügend Geld verdienen würden und ihnen deshalb Prämien nicht ausgezahlt werden müssten. Eine Steuerung der Geldzuwendungen des Internationalen Fußballverbandes wäre dringend erforderlich, doch nähme sich die Fifa damit eine gewisse Gestaltungsfreiheit vor wichtigen Abstimmungen, die durch finanzielle Zugeständnisse noch gelenkt werden könnten.

Außerdem löst auch Geld das zweite Problem nur indirekt. Winfried Schäfer, derzeit als Trainer Kameruns tätig, beschrieb einst sehr bildhaft, weswegen sich afrikanische Teams mit dem Torabschluss schwer tun. „Ich habe in einer Halbzeit bei einem Vorbereitungsspiel unseren dritten Keeper in das Tor gestellt und einige Jungs gebeten, auf das Tor zu schießen – es kam kaum ein Ball an. Es gibt zu wenig Tore in Kamerun, so dass sie immer nur zwei Erdhaufen als Tormarkierung aufhäufen. Schießen tun sie nicht, weil sie dann zu weit laufen müssten, um den Ball zu holen.“ Diese sehr oberflächliche Beschreibung fand bei dieser WM eine Fortsetzung. Zu selten trafen die spielerisch überzeugenden Akteure der Elfenbeinküste in der stärksten aller WM-Gruppen das Tor. Ghana gefiel mehr durch athletischen Einsatz als durch Torgefahr. Taktisch waren beide Teams überraschend stark eingestellt. Eine Errungenschaft, die sie zu den besten – in Deutschland abwesenden – Teams des Kontinents aus Nigeria, Kamerun und Senegal aufschließen ließ und zu den positiven Erkenntnissen im afrikanischen Fußball führt: Viele europäische Trainer wie Henri Michel und Ratomir Dujkovic leben in Afrika den Funktionären und den einheimischen Trainern vor, dass im Spitzenfußball Ziele häufig nur mit Ordnung, Disziplin und taktischer Reife erreicht werden können.

Afrika darf sich auf die Fortführung dieser Entwicklung freuen und 2010 vielleicht wie Deutschland etwas Unvorstellbares erleben: ein Team, das mit einem klaren Konzept unverhofft einen als historisch wahrgenommenen Erfolg erreicht. Und dafür reicht seit dieser WM schon die Teilnahme am Halbfinale.