KOMMENTAR VON INGO ARZT ÜBER GABRIELS REFORMPLÄNE ZUR ENERGIEWENDE
: Der Traum der Bürger zählt nicht

Dezentrale Versorgung spielt in den Reformplänen der Regierung keine Rolle

Es waren publizistisch gesehen wundervolle Zeiten, damals im Jahr 2010: Schwarz-Gelb und die Kanzlerin verlängerten die Laufzeiten für Atomkraftwerke, Gift für erneuerbare Energien. Es gab diese Bilder, da stand Merkel inmitten der glücklichen Manager der vier großen Energiekonzerne. Die Fronten waren klar. Da macht ein Kartell mit der Regierung, was es will. Das gab einfache, schnörkellose Schlagzeilen.

Heute ist alles anders. Sigmar Gabriels Pläne, wie künftig erneuerbare Energien gefördert werden sollen, sind jetzt öffentlich. Vieles ist noch vage und offen. Wie immer bei solchen Reformen. Das Papier predigt gleich zu Beginn die „Bewahrung der Schöpfung“ und die „Verantwortung kommender Generationen“. Mehr als die übliche Floskelei – es ist der Sound der Energiewende: Wir haben es doch kapiert, wie wichtig die Sache ist, jetzt lasst uns doch mal in Ruhe und ohne den ganz großen missionarischen Ökofuror ein paar Reformen machen.

Und genau da liegt das Problem. Die Reformen sind detaillistisch, es geht um hier einen Cent mehr und dort eine Vergütung weniger. Die EEG-Reform, die nun diskutiert werden wird, ist nur eine von vielen Baustellen, die offen sind: Energieeffizienz, Strommarktdesign, Vergütung von Ersatzkraftwerken, um nur ein paar Baustellen zu nennen. Dazu kommen noch wegweisende Entscheidungen, die auf EU-Ebene anstehen: Die Energiepläne bis 2030 und eine sogenannte Beihilferichtlinie, die festlegt, wie sehr der Staat eingreifen darf, um die ökologischen Spätfolgen eines freien Markts zu lindern. Daran hängt auch, wie Deutschland seine Energiewende finanzieren darf. Kurzum: So viele Schlachtfelder, der Dreißigjährige Krieg war dagegen übersichtlich.

Aber es ergibt sich allmählich eine Richtung, in die es nicht geht: in Richtung Energie in Bürgerhand. Die einzige Energieform, die nicht gekürzt wird, ist die für Großkonzerne so attraktive Offshore-Windkraft. Der Traum einer dezentralen Versorgung, als eine Art von emanzipatorischem Projekt, spielt in den Reformplänen der Regierung schlicht überhaupt keine Rolle. Wichtig ist Wettbewerbsfähigkeit, allerdings eine sehr kurzfristig gedachte, dazu kommt die oft gepredigte „Versorgungssicherheit“, als ob die gefährdet wäre. In dem jetzt vorgelegten Gabriel-Papier werden wichtige Eckpfeiler für ein Energieversorgung im Händen der Bürger nicht einmal mitgedacht.