Obama verschont Merkels Handy

USA Präsident Barack Obama verkündet Vorschläge zur Reform der umstrittenen Datenkrake NSA. Snowden-Enthüllungen: Geheimdienst sammelt Milliarden SMS

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | In seiner lange erwarteten Rede zu den NSA-Überwachungsprogrammen hat US-Präsident Barack Obama am Freitag eine Reihe von Reformen angekündigt. Überraschend erklärte der Präsident, dass die umfassende Sammlung von Telefonmetadaten durch die NSA in der bisherigen Form nicht fortgeführt werde. Obama begründete ausführlich, warum es für die Verhinderung von Terroranschlägen wichtig sei, diese Daten zur Verfügung zu haben, erkannte aber die Bedenken an, dass eine solche Sammlung das Risiko des Missbrauchs beinhalte. Dieser Punkt hatte in den USA selbst die meiste Kritik ausgelöst.

Bis zum 28. März soll Justizminister Eric Holder gemeinsam mit den Chefs der beteiligten Geheimdienste einen Vorschlag erarbeiten, wo also die Daten zukünftig gespeichert werden sollen. Die von Obama eingesetzte Überprüfungskommission hatte im Dezember vorgeschlagen, die Telefonunternehmen sollten die Daten bereithalten und auf Anfrage herausgeben. Das hatten die Unternehmen allerdings abgelehnt. Eine dritte, unabhängige Organisation, die diese Daten speichert, bezeichnete Obama selbst als eigenartiges Konstrukt: Sie würde Regierungsfunktionen ausüben und sei vermutlich unkontrollierbarer als die Regierung selbst. Bis Ende März soll ein Ausweg aus diesem Dilemma gefunden werden, sodass die Geheimdienste die Daten nicht mehr selbst speichern.

Auch zur Überwachung ausländischer Staatschefs äußerte sich der Präsident. Gemäß einem von ihm verabschiedeten Präsidentenerlass sollten grundsätzlich Staats- und Regierungschefs befreundeter Staaten nicht überwacht werden, es sei denn, es gebe wider Erwarten sehr konkrete Hinweise auf deren Verwicklung in terroristische Planungen oder Aktivitäten. Allgemein war erwartet worden, dass Obama nur wenigen der Kommissionsempfehlungen direkt folgt, sondern stattdessen viel von berechtigten Sorgen und notwendiger Transparenz spricht, ohne aber die Arbeitsmöglichkeiten der Geheimdienste substanziell einzuschränken.

Tatsächlich widmete Obama einen Großteil seiner Rede dem Lob der herausragenden Arbeit der Geheimdienste, die die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 neuen Herausforderungen hervorragend bewältigt hätten.

Nur Stunden bevor US-Präsident Obama am Freitag seine Rede zu möglichen Reformen der NSA-Geheimdienstarbeit halten wollte, veröffentlichte die britische Zeitung Guardian eine neue Enthüllung aus den von NSA-Whistleblower Edward Snowden mitgenommenen Akten: Im Rahmen des Programmes „Dishfire“ sammle die NSA täglich weltweit rund 200 Millionen SMS-Kurznachrichten, die sie auf Kontaktnetzwerke, Orte und andere Informationen hin auswerte. Aus einer NSA-internen Präsentation aus dem Jahr 2011 unter dem Titel „SMS-Nachrichten, eine auszubeutende Goldmine“ geht demnach hervor, dass die NSA sowohl den Inhalt der Nachrichten sowie Sender und Empfänger speichere als auch Daten über verpasste Anrufe, Roamingdaten oder Reiseinformationen. Dabei würden Daten von US-Telefonen weitgehend gelöscht, von überall sonst allerdings gesammelt.

Auch der britische Geheimdienst GCHQ, berichtet der Guardian, habe Zugang zu den Daten, auch gegen britisches Recht.

Auf Anfrage des Guardian bestritt ein NSA-Mitarbeiter, dass die Sammlung umfassend und willkürlich geschehe – vielmehr würden lediglich die Daten „legitimer Ziele geheimdienstlicher Tätigkeit“ gespeichert.