LOST IN PRENZLAUER BERG
: Kennen Sie Theresa?

Treppe hoch, Treppe runter, Seitenflügel links, Seitenflügel rechts. Unfreundlich war niemand

Im ersten Stock, Vorderhaus links, sind Stimmen hinter der Tür zu hören. Ich drücke auf die Klingel. Ein Mann öffnet, mittelalt, Soßenfleck auf dem Pulli, im Hintergrund Kinderstimmen. Schon wieder Fehlanzeige.

„Guten Abend“, sage ich, „und ’tschuldigen Sie die Störung. Ich suche eine Freundin, die hier im Haus wohnt. Also, na ja, sie wohnt nicht richtig hier, sie ist zu Besuch. Und von der Mieterin weiß ich nur, dass sie Theresa heißt. Sagt Ihnen das was?“ – „Nee, sorry“, sagt der Mann, „hier ziehen in den letzten Jahren so viele Leute aus und ein, da hab ich den Überblick verloren. Wie sieht die denn aus, die Theresa?“ – „Weiß ich leider auch nicht“, sage ich, „aber so um die 30 müsste sie sein.“ – „Hm. Nee.“

Typisch ich. Straße und Hausnummer habe ich mir von M. geben lassen, aber nicht den Nachnamen von Theresa. Und dann war – schon wieder! – der Akku leer. Jetzt kann ich M. nicht mehr erreichen, die irgendwo mit einem Teller Nudeln auf mich wartet. In diesem Mietshaus in Prenzlauer Berg, wo niemand seine Nachbarn kennt.

Wie oft habe ich meinen Spruch jetzt schon gesagt? Achtmal? Neunmal? Auch ich habe den Überblick verloren. Treppe hoch, Treppe runter, Seitenflügel links, Seitenflügel rechts. Unfreundlich war niemand. Aber keiner konnte mir sagen, hinter welcher der dreißig Türen M. sitzt. Die mit dem griechischen Namensschild hat eine junge Frau geöffnet: Klar kenne sie Theresa, hat sie gesagt und ihre Schwester gerufen. Es war bloß eine ganz andere Theresa.

Habe ich mir etwa eine falsche Hausnummer gemerkt? Ich gehe raus, stelle mich auf die andere Straßenseite und gucke. Schon habe ich M. entdeckt: Sie steht in einer hell erleuchteten Küche im ersten Stock und wirkt etwas ratlos. Es ist die Wohnung neben dem Vater mit dem Soßenfleck.

Natürlich ist jetzt die Haustür wieder zu. Egal. Ich werfe einfach ein Steinchen. CLAUDIUS PRÖSSER