Vive le colonialisme!

RETARDIERT Die Franzosen mögen keine Fremdsprachen. Also lernen sie auch keine

Ihr Französisch ist elegant, der Ton bestimmt, und das Lächeln wohlerzogen: Marie kommt schon seit Jahren in den Senegal. Sie liebt es in der ehemaligen Kolonie, die Sonne und die Menschen. Ihre große Leidenschaft gilt dem Feilschen mit den vielen fliegenden HändlerInnen, also mit denen, die Tüten voll Armreifen oder Schnitzwerk herumschleppen und versuchen, kleines Geld zu machen. Wortreich und gnadenlos drückt die Enddreißigerin den Preis ein ums andere Mal auf das Niveau für Einheimische. Das ist der Spaß, um die Ware geht es erst in zweiter Linie. Marie lebt in Paris und arbeitet in der Marketingabteilung eines Unternehmens, das Golfklamotten vertreibt.

Gemeinsam mit ihrer Cousine, die neben ihr auf der Strandliege in einem Managermagazin blättert, amüsiert sie sich über die retardierten Franzosen, die jede Modernisierung verweigern und natürlich noch immer keine Fremdsprachen sprechen. Anders als die reformfreudigen Deutschen mit ihrer tollen Kanzlerin. Hollande aber: Putain, merde! Dass so gut wie alle Senegalesen mehrsprachig sind, zählt nicht. Denn afrikanische Sprachen zählen nicht, und auf dem Land sprechen ganz schön viele kein Französisch, wird angemerkt. Und auch, dass in den Städten immer häufiger Englisch zu hören sei. Irgendwie sei das traurig.

Verblüfft frage ich mich, wo das gute alte schlechte Gewissen bleibt? Ich habe es jedenfalls. Weil ich unverdienterweise so viel mehr Geld verdiene und dank Premiumpass überall hinfliegen kann. Was ich tue. Mein schlechtes Gewissen hält mich von nichts ab. Ich fahre nämlich nicht freiwillig in die Schweiz, wo ich mich meinerseits arm fühlen würde, da ich dort die Kaufkraft einer Kirchenmaus habe.

Stattdessen bin ich froh, dass im Senegal niemand Deutsch spricht und ich mich durchs fremde Französisch haspeln kann. Es ist ja die Herrschaftssprache der anderen. Es fühlt sich gut an, aufseiten der Guten zu sein. Ja, doch, das lohnt sich.INES KAPPERT