Verfahren gegen Holm gestoppt

JUSTIZ Die Bundesanwaltschaft hegt keinen Verdacht mehr, dass der Soziologe Andrej Holm in der Militanten Gruppe war. Dafür braucht sie drei Jahre länger als der Bundesgerichtshof

„Es wird deutlich, dass solche Verfahren nur dazu da sind, Leute zu überwachen“

CHRISTINA CLEMM, ANWÄLTIN

AUS BERLIN UWE RADA

Drei Jahre hat sich die Bundesanwaltschaft (BAW) Zeit gelassen. Nachdem der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen den Berliner Soziologen Andrej Holm bereits 2007 aufgehoben hatte, stellten nun auch die Fahnder von Generalbundesanwältin Monika Harms die Ermittlungen ein. Dies bestätigten am Dienstag Holms Anwältin Christina Clemm und der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann.

Dem 40-Jährigen, der damals mehr als drei Wochen in Untersuchungshaft gesessen hatte, war ursprünglich vorgeworfen worden, Mitglied der so genannten „Militanten Gruppe“ (mg) gewesen zu sein. Diese hatten zahlreiche Brandanschläge, unter anderem auf Einrichtungen der Bundeswehr, verübt.

Die Festnahme Holms im Juli 2007 hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Ihren Anfangsverdacht wegen Mitgliedschaft in der zunächst als „terroristische“, später dann als „kriminelle Vereinigung“ eingestuften „mg“ begründete die Bundesanwaltschaft unter anderem mit Holms Arbeit als Stadtsoziologe. Demnach sei der Begriff der Gentrifizierung, also der Aufwertung und Verdrängung in hippen Innenstadtquartieren, sowohl ins Holms Texten als auch in Bekennerschreiben der „mg“ zu finden gewesen. Gegen diese „Kriminalisierung kritischer Wissenschaftler“ hatten Stadtsoziologen bundesweit und auch international mobil gemacht. Gegen Holm war bereits seit 2006 ermittelt worden. Dabei wurden auch seine Telefone und seine Wohnung überwacht.

In ihrer Einstellungsverfügung teilte die BAW mit, dass es zwar einen Anfangsverdacht gegeben habe. Die Ermittlungen der vergangenen vier Jahre aber hätten ergeben, dass die Kontakte Holms und die bei ihm gefundenen Unterlagen auch in anderen, nicht strafrechtlichen Sachzusammenhängen stehen könnten. Für Holms Anwältin Christina Clemm ist das nicht nachvollziehbar: „Ich verstehe nicht, warum die Bundesanwaltschaft drei Jahre dazu braucht, um eine Einstellungsverfügung zu erlassen, in der nichts anderes steht als in dem BGH-Beschluss von 2007.“

Für ihren Mandanten habe dies drei weitere Jahre mit erheblichen Einschränkungen im Berufs- und Privatleben bedeutet. „Einmal mehr wird damit deutlich, dass solche Verfahren nur dazu da sind, Leute zu überwachen und in bestimmte politische Milieus hineinzuschauen“, sagte Clemm. Kritik übte auch die innenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. „Nach und nach wird offenbar: Die Verfolgung linker Aktivisten durch die Bundesanwaltschaft ist eine Hexenverfolgung und entbehrte von Anfang an jeglicher Grundlage.“

Der Bundesgerichtshof hatte nicht nur 2007 den Haftbefehl gegen Holm aufgehoben. Er hatte im Juni diesen Jahres auch die Ermittler der BAW kritisiert. So sei ein Gutachten des Verfassungsschutzes, auf dessen Grundlagen die Ermittlungen gegen Holm und drei weitere Männer eingeleitet wurde, „nicht ausreichend mit Tatsachen belegt“ gewesen. Außerdem habe die Bundesanwaltschaft dem Ermittlungsrichter in der Antragsschrift zur Überwachung ein entlastendes linguistisches Gutachten des Bundeskriminalamts vorenthalten.

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