Hollande propagiert die Wende

FRANKREICH Um die Wirtschaft anzukurbeln, setzt der Präsident auf Entlastung der Unternehmer. Und outet sich als „Sozialdemokrat“. Zur privaten Krise kaum ein Wort

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Die Tradition will es, dass der französische Präsident zum Jahresbeginn die Journalisten empfängt und einen Überblick über die Lage der Nation und seine Pläne gibt. Unüblich ist es dagegen, dass er dabei auf sein Privatleben angesprochen wird. Immerhin möchte man wissen, ob seine Beziehung zu Valérie Trierweiler, die seit der Wahl seine offizielle Partnerin war, nur eine Krise durchmacht, wie er erklärte, oder ob er nun als Single präsidiert. Er ließ es auch offen, ob es mit Julie Gayet „etwas Ernstes ist“, wie sich 2008 Nicolas Sarkozy zu seiner Liaison mit Carla Bruni ausgedrückt hatte. Die Medien finden heute, François Hollande habe es sich ein wenig leicht gemacht, indem er auf der strikten Respektierung seines Privatleben bestand.

Politisch hat Hollande bei seinem Auftritt im Élysée einen Themenwechsel versucht. Zwar bezeichnet er weiterhin den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als sein große Priorität. In den Methodik aber greift er zu anderen Mitteln als den 60 Punkten seines Wahlprogramms. Er rechtfertigt diese Neuorientierung seiner Wirtschaftspolitik damit, dass der Aufschwung noch zu zaghaft sei und durch kühne Initiativen verstärkt werden müsse. Seine erklärte Absicht ist es, die Unternehmen zu Investitionen in die Beschäftigung zu ermuntern. Damit setze er klar auf die Förderung des Angebots und nicht der Nachfrage (das heißt der Kaufkraft), doziert er.

Obwohl der Eindruck aufkommt, dass er unter dem Druck der europäischen Partner und der finanziellen Sachzwänge agiert, möchte Hollande seine Kurskorrektur nicht als „sozialliberale Wende“ verstanden wissen. Was er vorschlage, sei klar Sozialdemokratie. Noch selten hat sich ein französischen Sozialist so klar zur Sozialdemokratie bekannt, die zumeist ein deutsches Fremdwort geblieben ist.

Hollande tritt als großer Sanierer der Finanzen auf. Von 2015 bis 2017 sollen bei den öffentlichen Ausgaben 50 Milliarden eingespart werden. „Damit wird unser Sozialmodell nicht geopfert, sondern gerettet“, versichert der Präsident, der auch verspricht, die Steuersenkung für die Unternehmen würden nicht auf die Haushalte abgewälzt. Den Arbeitgebern und Selbstständigen stellt er nämlich in Aussicht, dass ihnen ab 2015 die Beiträge für die Familienzulagen der Sozialversicherung erlassen würden. Das bedeutet eine Kostensenkung von 35 Milliarden Euro. Im Gegenzug erwartet der Staat, dass in der Privatwirtschaft massiv Stellen entstehen. Über diese „Gegenleistungen“ der Arbeitgeber soll im Frühling bei einer Sozialkonferenz verhandelt werden. Ein Expertenrat soll dann die Umsetzung dieses „Pakts der Verantwortung“ überwachen.

UMP-Parteichef Jean-François Copé kommentiert ärgerlich, diese Vorschläge seien ein Plagiat der Ideen, welche die UMP seit Jahren vertrete. Während ein Fernsehsender konstatiert, Hollande stehe endlich dazu, ein Sozialdemokrat zu sein, meinen die Sprecher des rechtsextremen Front National, aber auch der Linkspartei, Hollande sei ein „Liberaler“ geworden. Die kommunistische Humanité sieht im Präsidenten gar einen „Kommis der Unternehmer“.

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