Dokumentation: „Polens neue Kartoffel“

Auszüge aus dem taz-Artikel von Peter Köhler, der am 26. Juni auf der Seite „Die Wahrheit“ erschien

Er muss das „Zentrum gegen die Vertreibung ungenießbarer Deutscher“ im Keim ersticken

Die deutsche Öffentlichkeit glaubte ihren sieben Zwetschgen nicht trauen zu dürfen: ein polnischer Präsident, der dem deutschen Staatsoberhaupt nicht in Kniehöhe entgegentritt! Ein Politiker von hinter der Oder, der der deutschen Kanzlerin in aufrechter Haltung das Vorderbein zur Begrüßung reicht! Deutschland rieb sich verwundert die blauen Augen und Ohren, als Lech Kaczyński im März auf stolzen Hufen nach Berlin kam und den Bundespräsidenten auf der Warschauer Buchmesse einfach ins Leere lächeln ließ.

Man wusste zwar, dass Kaczyński sich brüstete, jahrzehntelang keinem deutschen Politiker auch nur den nackten Fingernagel gereicht zu haben. Oft genug hatte der ranghöchste Pole ausposaunt, er kenne von Deutschland nicht mehr als den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens. Es war bekannt, dass der 1949 geborene Kaczyński jene schwere Generation vertritt, die bereits vor ihrer Geburt von Deutschland gebissen worden war. (…)

Hierzulande gehört es zu einem gelernten Bundespräsidenten, souverän über den Parteien zu schwimmen. In Polen aber hat der Staatsinhaber mit deutlichen Zähnen vorzugehen: Er hat die deutsch-russische Ostseepipeline zu zermalmen, muss das in Berlin geplante „Zentrum gegen die Vertreibung ungenießbarer Deutscher“ im Keim ersticken. (…)

Viele Polen haben ein in Jahrhunderten angeschwollenes Misstrauen gegen alles, was nicht Polen ist. Seit Lech Kaczyński als Zwölfjähriger mit seinem Zwillingsbruder Jarosław für den Spielfilm „Von zweien, die den Mond stahlen“ allerlei krumme Streiche ausheckte, ist ihm sogar der Mond näher als Deutsch- und Russland. (…) Vorbild der Kaczyńskis ist der Erfinder Polens von 1919, Josef Pilsudski, der 1926 die „gelenkte Demokratie“ entdeckte und dem halbfaschistischen Militärregime von 1935 die Bahn schmierte. Wie Pilsudski sind die Kaczyńskis Polen bis über beide Ohren, und das Vaterland sitzt ihnen wie angegossen. Dass die zwei vorn wie hinten sauber sind, haben sie bewiesen: Lech, der öffentliche Hinterteile an Warschaus Männern mehrmals verbot, mehr noch Jarosław, der mit der eigenen Mutter zusammenlebt – aber wenigstens ohne Trauschein.