Suche nach dem Unbekannten

Für die Scouts der Bundesliga-Vereine ist die Arbeit bereits getan. Sie interessieren sich nicht für die Top-Stars der WM

BERLIN taz ■ Die Fußball-WM neigt sich dem Ende zu. In den Finalspielen haben sich die Mannschaften mit den größten Einzelkönnern versammelt, die Mannschaften mit den Legionären aus Italien, Spanien oder England. Bundesligalegionäre gibt es in den Halbfinals außer dem Portugiesen Fernando Meira vom VfB Stuttgart nicht mehr. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass der deutsche Vereinsfußball mit den ganz großen europäischen Mannschaften, insbesondere was Millionentransfers und Spielergehälter anbelangt, nicht mithalten kann. Das Interesse der Scouts richtet sich demnach nicht auf die übertalentierten Ronaldinhos und Riquelmes dieses Fußballkosmos – die kennt eh schon jeder. Die Vereine schicken ihre Suchtrupps in die WM-Arenen, in der Hoffnung, den großen Unbekannten zu finden. Einen Spieler, der auf hohem Niveau Fußball spielen kann und zudem erschwinglich ist.

Die Auswahl ist riesig, denn „es gibt viele Spieler, die durchaus in der Bundesliga mithalten können“, sagt der Ex-Bundesliga-Profi Gerhard Poschner, der für die Berater-Agentur „Stars and Friends“ Spieler beobachtet. Das Problem liege darin, dass viele Bundesligavereine zu risikoscheu seien und kaum Spieler aus afrikanischen Ländern verpflichten. Das bestätigt auch Dr. Jörg Jakob, der für Alemannia Aachen scoutet: „Neben den spielerischen Qualitäten sind Mentalität und Integrationsfähigkeit sehr wichtig“, sagt Jakob. „Ein Spieler muss zur Philosophie des Vereins passen.“

Frage der Finanzierung

Wolfgang Dremmler, Scout von Bayern München, ist der Charakter des Spielers nicht so wichtig. Für ihn kommt es zunächst darauf an, dass der Fokussierte den FC Bayern fußballerisch weiterbringen kann. Aber dann stellt sich schnell die Frage nach der Finanzierung. Für Jörg Jakob ist das Geld der Grund, die WM lediglich als „Weiterbildungsmaßnahme“ zu betrachten. „Spieler, die bei einer WM auffallen, können wir uns nicht leisten“, sagt er.

Bei Bayern München sitzt das Geld bekanntlich etwas lockerer, aber Dremmler ist von dem WM-Turnier bisher enttäuscht. „Es gibt keine Überraschungen mehr“, bemängelt er. Vor allem von den afrikanischen Mannschaften hätte Dremmler mehr erwartet, aber die „Hoffnung auf einen neuen Drogba oder Essien hat sich nicht erfüllt“. Ab den Viertelfinalspielen, in denen sich nur noch die Besten der Besten gegenüber stehen, ist seine Arbeit beendet. „Es ist schön zu sehen, wie sich die Weltstars gegenüber den anderen Weltstars durchsetzen. Aber die Spieler, die jetzt noch dabei sind, kennen wir alle schon seit Jahren.“ Dass die Spieler eine WM auch nutzen, um ihren Wert zu steigern, hält er für abgedroschen. „Die Zeiten sind vorbei. Es gibt kaum Spieler, die wir nicht schon gesehen haben und ungefähr wissen, was sie wert sind.“

Da ist Klaus Allofs anderer Meinung. Der Geschäftsführer von Werder Bremen weist darauf hin, dass die Wertsteigerung der Spieler gerade bei einer WM enorm hoch ist, und prophezeite in der Süddeutschen Zeitung, dass die „absoluten Weltstars der Bundesliga weiter fehlen werden“. Damit diesem Zustand in Zukunft entgegengewirkt werden kann, verfolgen die Spielerbeobachter die Entwicklung interessanter Spieler schon von einem sehr frühen Zeitpunkt an. „Deshalb sind wir schließlich auch bei den Afrika- und Asienmeisterschaften vor Ort. Und noch wichtiger sind die U20-Turniere“, sagt Dremmler. Gerhard Poschner sieht es ähnlich: „Der Grund dafür, dass es keine Unbekannten mehr gibt, die plötzlich zu Stars werden, liegt darin, dass das Scouting wesentlich verbessert und intensiviert wurde. Die interessantesten Spieler werden schon bei den Jugendturnieren gesichtet.“

WM ohne Impulse

So ist es keine Überraschung, dass außer dem VfB Stuttgart kein Bundesligaverein während der WM-Endrunde einen Nationalspieler verpflichtet hat, der nicht schon vorher in der Bundesliga gespielt hat. Und die beiden Mexikaner Pavel Pardo und Ricardo Osario, die zusammen fünf Millionen Euro gekostet haben sollen, hatte der VfB bereits beim Confederations-Cup 2005 im Visier, wie Pressesprecher Oliver Schraft bestätigte. Die Weltmeisterschaft habe keinen Ausschlag bei der Verpflichtung gegeben.

BASTIAN HENRICHS