berliner szenen Frisch aus dem Kühlregal

Lecker Schaumteig

Was man in dem neuen Supermarkt an Quadratmetern geprotzt hat, wurde gleich beim Personal wieder eingespart. Die einzigen fünf Kunden an diesem Morgen stehen an der Kasse Schlange. Ich habe eine Tüte Milch im Arm und schaue gelangweilt zu meiner Rechten in die Tiefkühltruhe. Ich staune nicht schlecht. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte dort jemand rohen Hefeteig über der Kühlware verteilt – was sogar passen würde, schließlich liegen dort auch Tüten mit Aufbackbrötchen. Doch dann sind da noch Reste braunes Glas, das nicht in die Backwarenabteilung gehört. Außerdem ist die helle Masse ein bisschen zu locker und ein bisschen zu gelb: Sechs Bierflaschen sind sauber in der Mitte auseinander geplatzt, und ihr Inhalt hat sich in vereisten gelblichen Schaum verwandelt.

Die Frau hinter mir sieht ebenso ungläubig wie ich in die Truhe mit den Tiefkühlprodukten. Wir grinsen uns an. „Am besten, man denkt sich nichts dabei“, meint sie und schon geht meine Fantasie mit mir durch: Freitagabend, kurz vor Feierabend. Die Kunde, dass die deutschen Fußballer Treffsicherheit im Elfmeterschießen gezeigt haben, hat sich auch in diesem Supermarkt verbreitet, wo die übliche Notbesetzung leere Gänge und Kassen bewacht hat. Irgendjemand hat gerufen: „Stell schon mal Bier kalt!“ War es der sonst so griesgrämige Wachmann, der heute mit heruntergezogenen Mundwinkeln neben der Kasse steht und schon die Stunden bis zur Rente zählt? Wenn ich mir vorstelle, wie er die Flaschen sorgsam auf das Brötchenbett legt, wird er mir eine Spur sympathischer. Nur was könnte die kleine Siegesfeier im Supermarkt gestört haben? „Neunundachtzig Cent bitte“, schnauzt mich die Kassiererin an. JUTTA BLUME