KAMBODSCHA: DAS TRIBUNAL GEGEN DIE ROTEN KHMER KOMMT FAST ZU SPÄT
: Genugtuung für die Opfer

Für die Opfer des Rote-Khmer-Regimes zwischen 1975 und 1979 kommt jetzt die Genugtuung. Allein die Tatsache, dass ein aus kambodschanischen und internationalen Richtern bestehendes UN-Tribunal endlich daran gehen kann, die Verbrechen der Roten Khmer juristisch aufzuarbeiten, ist ein Erfolg. Selbst nach dieser langen Zeit hat Kambodschas Bevölkerung immer wieder betont, dass sie diesen Gerichtsprozess unbedingt erleben will.

Dass die Menschen des verarmten und korrupten Landes sich derart lange gedulden mussten, verleiht dem Prozedere allerdings einen äußert bitteren Beigeschmack. Es ist ein Hohn, dass mächtige Staaten wie die USA und China lange Zeit nichts dabei fanden, die Roten Khmer auch nach ihrer formellen Vertreibung zu unterstützen. Und die Regierung unter dem machthungrigen Premier Hun Sen hat in der Vergangenheit mehrfach signalisiert, dass sie eine juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen am eigenen Volk für überflüssig und unzeitgemäß hält: Nach einer Generalamnestie 1998 für die restlichen Hardliner der Roten Khmer waren die meisten zur Regierung übergelaufen und haben längst wieder hohe Posten im kambodschanischen Staatsapparat inne.

Diese Verflechtung dürfte die Effizienz des UN-Tribunals erschweren. Kambodschas Justiz gilt ohnehin als korrupt und steht unter der Fuchtel der Regierung. Angehörige des Justizapparates hatten der Regierung vor allem in den vergangenen Monaten dabei geholfen, Hun-Sen-Kritiker mundtot zu machen. In diesem Zusammenhang sind für das Tribunal nominierte kambodschanische Juristen in die Schlagzeilen geraten, weil sie durch Fehlurteile gegen Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten aufgefallen waren. Die jüngsten Skandale sind noch nicht vergessen, und manche Beobachter halten die kambodschanische Seite seitdem für kaum noch geeignet, über die Verbrechen aus der Khmer-Rouge-Zeit zu urteilen.

Um Transparenz zu gewährleisten, fordern Kritiker zu Recht, unabhängige Beobachterteams zu etablieren. Auch sollte den internationalen Geberstaaten, die im Wesentlichen das Budget für das Tribunal bereitstellten, ein Vetorecht vorbehalten bleiben. Dieses Recht sollten sie dazu nutzen, einen eventuellen Verstoß gegen internationales Recht sofort zu ahnden.

Trotz aller möglichen Probleme steht schon heute fest: Der Gerichtsprozess ist wichtig für die Überwindung des kambodschanischen Traumas. Den Opfern wird dadurch das Gefühl gegeben, nicht länger vom eigenen Staat und der Weltgemeinschaft ignoriert zu werden. NICOLA GLASS