Kiwi-Alarm!

Immer wieder sonntags bestellen die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Acker. Der ZDF-„Fernsehgarten“ wird Sonntag 20 Jahre alt (11.03 Uhr)

VON MARTIN WEBER

Der Mann im Ersten erzählt einen Witz. Der Witz ist nicht von ihm, sondern wurde von einem Zuschauer eingesandt. Was nichts daran ändert, dass der Witz – es geht darum, aus welcher Volksgruppe die besten Liebhaber kommen – von dem Mann im Ersten unfassbar dröge vorgetragen wird. Die Pointe aber versemmelt er nicht. Als klar ist, dass die besten Lover ein Crossover aus Indianern und Polen sind, sagt er: „Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Gestatten, mein Name ist Winnetou Kowalski.“

Der Mann im Ersten ist Stefan Mross, und das kann man auch noch erkennen, als er, gewandet in ein kurzes Röckchen und rotbemützt, ganz vielen kleinen Kindern eine Version des Grimm’schen Märchens vorliest, von der irgendein ARD-Autor denkt, sie sei modern. „Lieber vom rechten Weg abkommen als auf die Autobahn laufen“, sagt Stefan Mross, und das wirkt wie alle seine Moderationen: So hölzern, als stecke der Kleiderbügel stets mit in seinen Klamotten. Da ist es völlig schnurz, ob Stefan Mross im Rotkäppchenkostüm oder im weißen Sakko daherkommt. Überhaupt ist Sommerwochenende in Deutschland, und das bedeutet in der ARD: „Immer wieder sonntags“. Nach Mross’ Performance als Rotkäppchen singen die „Die jungen Original Oberkrainer“ ihren Kracher „Ramba-Zamba in den Bergen“ – höchste Zeit, umzuschalten. Zum Original, dem ZDF-Fernsehgarten.

Denn, und das muss man fairerweise sagen: die vom Zweiten waren zuerst da. Diesen Sonntag feiert der „ZDF-Fernsehgarten“ seinen 20. Geburtstag (fossiler als der Unterhaltungs-Dino ist nur noch „Wetten, dass …?“ – Erstsendung 1981). Eine Stunde später als das Erste sendet das ZDF vor bis zu 5.000 Zuschauern vom Mainzer Lerchenberg – und holt damit, wie man bei einem Blick ins Live-Publikum erkennen kann, längst nicht nur die „Generation Klosterfrau“ ab. Sondern so ziemlich alle vom Kleinkind bis zum rüstigen Mittachtziger; bis zu 2,7 Millionen Zuschauer hat der mediale Gemischtwarenladen, der Marktanteil liegt bei 23 Prozent. Warum das so ist, weiß Andrea „Kiwi“ Kiewel, Moderatorin seit 2000 und längst so etwas wie der Fleisch gewordene Fernsehgarten, auf der Pressekonferenz zum Sendungsjubiläum kongenial zu deuten. „Wenn man als Spitznamen den Namen einer Frucht hat und unter freiem Himmel moderiert, hat man schon mal beste Voraussetzungen.“ Bevor sie des Pudels Kern dann doch sehr nahe kommt: „Ist das noch Fernsehen oder ist das eine Party?“, fragt sie, und da kann man nur sagen: Es ist eine Party. Und zwar eine, zu der man lieber nicht eingeladen wird. So quietschebunt und beliebig ist der Themenmix, dass sicher die ZDF-Kundschaft im Alter von 14 bis 69 jubiliert – allen anderen aber ganz schwupps im Schädel wird. Ganz gleich, ob mit dem „römischen Marktplatz“ Historisches angerissen wird, das lästige Haarschneiderlein Udo Walz alltags- und ehemüde Mittvierzigerinnen in der „Beautybox“ vermeintlich aufhübscht oder es im Wärmedirekthaus ums Energiesparen geht: Andrea Kiewel ist stets gnadenlos, restlos und über alle Maßen begeistert. Und dabei so aufgeregt und hibbelig wie ein Ameisenhaufen auf Ecstasy.

Natürlich kann und sollte man eine Unterhaltungssendung nicht miesepetrig präsetieren – die aufdringliche Art guter Laune, die „Kiwi“ vor sich herträgt, lässt einen aber immer wieder sonntags zum Misanthropen werden. Und dann singt auch noch Jürgen Drews. In derselben Tapete – knallenge Hose und Jeansweste –, die er auch schon 1976 trug. Es ist das Lied, das er immer singt, „Ein Bett im Kornfeld“. Er hat ja kein anderes.

Fernsehunkraut vergeht nicht: weder im Aggregatzustand des Jürgen Drews noch in der gusseisernen Form des „Fernsehgartens“ und erst recht nicht in der Hülle des Gute-Laune-Ballons Andrea Kiewel.

Die Flippers, bisher 11 Mal dabei, haben schon gratuliert. Wir schließen uns an. Und hören den Hit der betagten Herrencombo von 1969 und weinen ein bisschen. Mit der kleinen Eva. Und vor Wut, weil die öffentlich-rechtlichen Sender mit ähnlich gelagerten Formaten so schamlos Gebührengelder verjuxen. Immer wieder sonntags.