Jetzt geht der Stress erst los

KOKS BEIM DISCOUNTER

Man wird von der Mafia für die Polizei gehalten und von der Polizei für die Mafia

Der Menüpunkt „Neu im Sortiment“ führt nicht zum gewünschten Ziel. Und bei den mit „Fit und vital ins neue Jahr“ angepriesenen Produkten – nichts außer Joghurt. Sollte sich auf den Internetseiten bewahrheiten, was Aldi sonst auf seine Werbeprospekte schreibt: dass ein Artikel „aufgrund begrenzter Vorratsmenge bereits am ersten Angebotstag ausverkauft sein“ kann?

Gerne hätte man bei diesem besonderen Angebot gesehen, wie genau es die Supermarktkette mit der „Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen“ nimmt. Allein, in die Verkaufsräume der vier Berliner und einen Brandenburger Filiale hatten es die sieben Bananenkisten, auf die zusammen 140 Kilogramm Kokain verteilt waren, gar nicht erst geschafft. Die Filialen haben die Polizei direkt nach den Funden verständigt. So die offizielle Darstellung vom Dienstag.

Was aber, wenn tatsächlich noch viel mehr Koks in anderen Märkten gelandet ist, es gar unbemerkt in den Verkauf ging; wenn just in diesem Moment jemand über einem Päckchen auf dem Küchentisch brütet, hin- und hergerissen vom Gewissen und dem sich türmenden Stapel unbezahlter Rechnungen?

Kinogänger wissen, dass der Stress jetzt erst losgeht: durch zahlreiche Filme, in denen Durchschnittsbürger – Loser meistens, verschuldet mindestens – durch Zufall an einen Haufen Drogen geraten, den sie irgendwie zu Geld machen wollen, in der Regel erfolglos.

Im aktuellen Fall würden sie wohl alles auf einmal abstoßen und unbeholfen Kontakte zur Szene knüpfen wollen; auf der Kurfürstenstraße mit „Psst, psst“ mutmaßliche Zuhälter ansprechen, ehe die Nase bricht. Oder verstohlen beim libanesischen Imbiss anklopfen. Bei Bushidos Management nach der Nummer der Abou-Chakers fragen. Eine chiffrierte Annonce aufgeben, in der Hoffnung, die „rechtmäßigen“ Eigentümer würden sich mit einem üppigen Finderlohn erkenntlich zeigen. An deren Interesse bestünde kein Zweifel, denn wer Koks in Millionenhöhe verliert, macht sich keine Freunde.

Es folgten rasante Verfolgungsjagden, Schüsse, Panik. Entweder hat man einen Mafiaclan am Hacken oder die Polizei oder man wird von der Mafia für die Polizei gehalten und von der Polizei für die Mafia.

Man könnte einen Einkauf bei Aldi so schnell mit dem Leben bezahlen. Jedenfalls im Film.

TORSTEN LANDSBERG