WM gucken mit
: … Spaniern in Hamburg

Die Spanier haben ja ein selten gebrochen-ungebrochenes Verhältnis zu ihrer Nation. Einerseits kommen ihnen Sätze wie ¡España arriba!, hoch lebe Spanien, über die Lippen ohne rot zu werden. Andererseits sind ihnen ihre Regionen und Regiönchen dann doch irgendwie lieber als der ferne Zentralstaat. Beim Fußball ist es ähnlich: Alle beteuern, dass sie die selección lieben, aber niemand traut ihr mehr als das Viertelfinale bei einem großen Turnier zu. Und die Vereine sind sowieso wichtiger.

Aber diesmal war alles anders. Die Mannschaft hatte zwei Jahre lang kein Spiel verloren und in der Vorrunde begeistert. Hamburgs Spanier der ersten, zweiten und dritten Generation haben sich auf dem Heiligengeistfeld versammelt, gelb-rote Fahnen umgehängt und sind in Feierlaune. Versteht sich von selbst, dass das nicht ohne Schmähung des Gegners abgeht: „Wer nicht hüpft, ist ein Franzake, ohé, ohé“, skandieren sie und hüpfen dabei in die Pfützen des letzten Gewitters. Jede gelungene Aktion wird mindestens mit einem „buenaaaaah“ quittiert. Wenn nicht sogar der Name des Spielers so lange aneinander gereiht wird, wie er den Ball führt. Das klingt dann so: „¡Villavillavillavillavillavillavillavilla!“

Als besagter David Villa den Elfmeter links unten in den Winkel knallt, riecht es nach Sieg. Die Spanier fallen einander um den Hals, singen „España, la mejor“, Spanien ist das Beste. Der Ausgleich der Franzosen kurz vor der Pause geht im spanischen Freudentaumel fast unter. Was ist schon so ein läppisches Gegentor? Die Spanier singen, als wären sie schon Weltmeister. Da kommen die Franzosen mit ihrem sporadischen „Allez les bleus!“ einfach nicht mit. Die Spanier kriegen vor lauter Jubeln kaum mit, wie die Franzosen sich immer dichter an den Strafraum von Iker Casillas herantasten. Nur als Nationalheld Raúl den Platz verlässt, geht kurz ein Murren durch die Mengen.

Mit Zidanes Doppelschlag – Vorlage und Tor innerhalb von fünf Minuten – ist für Spanien wieder alles wie früher. Oder noch ein bisschen schlimmer: Sogar das Viertelfinale verpasst. Nur die Spanier scheint das nicht zu kümmern. Der Ball zappelt noch im Netz, da grölen sie schon wieder „España, España“. Nach dem Schlusspfiff sind Sieger und Besiegte kaum auszumachen. Alle schwenken ihre Fahnen. Hinter uns schmeißen die Spanier ein Mädchen in die Luft und tanzen, bis die Musik aus ist.

Nur Marta, die seit Jahren in Hamburg lebt, sieht ein etwas bedröppelt aus und sagt: „Ein bisschen wütend macht es mich schon.“ Und fügt hinzu: „Wer weiß, ob wir bei der nächsten WM noch als Spanien antreten – und nicht als Katalonien, Baskenland, Galizien …“ Viel schlimmer kann es dadurch allerdings auch nicht werden. jank