WINTERLICHES AUFRÄUMEN
: Jede Menge Krümel

„Die Haie“, seine Stimme gurgelt dabei, „die Haie verrecken dran“

Die Straße liegt im Nebel. Sonntagvormittag, Waidmannslust, ich warte an der Bushaltestelle. Kommt aber keiner. Wie spät ist es überhaupt? Muss der Akku gerade jetzt leer sein? Mit ein bisschen Pech dauert’s noch ’ne Viertelstunde. Ich gehe auf und ab.

Bis mir wieder einfällt, wozu sich lange Wartezeiten hervorragend nutzen lassen: Manteltaschen aufräumen. Im Gegensatz zu meinen Hosentaschen sind meine Manteltaschen quasi Messi-Wohnungen en miniature. Aber nicht mehr lange. Ich stelle mich vor den orangefarbenen BSR-Mülleimer und lege los: Taschentücher, gebraucht. Eine Mars-Verpackung (von nach der Weihnachtsfeier, da hatte ich plötzlich Lust auf Süßes). Die Fahrradhandschuhe. Jede Menge zerknüllte Kassenbons (komisch, eigentlich lehne ich die immer dankend ab). Zwei Ibuprofen 400 (noch eingeschweißt). Ein Lutscher (vom Wechselgeldtellerchen in der Pizzeria, wollten die Kinder nicht, kann man aber schlecht liegenlassen). Die Fahrradleuchten. Ein BVG-Einzelfahrschein (als mir die Kollegin meine Monatskarte mal nicht zurückgegeben hatte). Eine halbe Ibuprofen 400 (offen).

Was noch brauchbar ist, sammle ich erst links, dann rechts, der Rest wandert in den Abfall. Zuletzt jede Menge Krümel von diesen leckeren Haferflockenriegeln.

„So viel Mist, wa“, sagt es neben mir. Ein Männlein ist aus dem Nebel aufgetaucht. Ein kleiner, eckiger Mann mit Pelzmütze und gerötetem Gesicht. Er hält eine große, leere Plastikflasche in der Hand. „Die Haie“, seine Stimme gurgelt dabei, „die Haie verrecken dran, sagen die Umweltschützer.“ Er stopft die Flasche in die Mülleimeröffnung, dreht sich um und schlurft davon.

Alles hängt zusammen: Irgendwo im Atlantik schwimmt ein Raubfisch, der sich irgendwann an einer Plastikflasche verschlucken wird. Meine Taschen sind aufgeräumt. Und da kommt der Bus. CLAUDIUS PRÖSSER