Lokal denken, lokal verwalten

EUROPA II Bremen bekommt zwar viel Geld aus Brüssel, doch die örtliche Verwaltung ist sehr „zurückhaltend“, wenn es um europapolitische Fortbildung oder Hospitationen geht, sagt der Senat

Fast 700 Projekte in Bremen bekommen Geld aus Brüssel

Bremens öffentlich Bedienstete interessieren sich im Grunde kaum für Europa. Sie haben zu wenig Zeit für sowas, aber irgendwie gilt derlei wohl auch als etwas überflüssig, als Luxus. Außerdem: Die EU ist immer noch viel zu weit weg vom heimischen Bremen, in jeder Hinsicht. Diesen Schluss legt zumindest eine Senatsantwort auf eine große Anfrage von SPD und Grünen zur „Europafähigkeit“ der hiesigen Verwaltung hervor.

Die Bereitschaft zu längerfristigen Auslandsaufenthalten und Abordnungen nach Brüssel, aber auch das Interesse an einschlägigen Fortbildungen werde noch „als zurückhaltend wahrgenommen“, heißt es in dem Papier. Woran das liegt? Es fehle an der „erforderlichen Bereitschaft zur Mobilität“, erklärt der Senat. Und dann gehe das Ganze halt auch „zu Lasten der Wahrnehmung von Regelaufgaben“, gerade dort, wo im Grunde eh schon zu wenig Personal da ist.

Dabei wird doch immer gesagt, wie wichtig Europa ist. „Der Einfluss der europäischen Gesetzgebung nimmt kontinuierlich zu“, heißt es gleich zu Beginn der Senatsantwort, völlig zu Recht. Und dann sind da auch noch all die Förderprogramme, von denen bremische Einrichtungen, Unternehmen und Initiativen profitieren. Eine monatlich aktualisierte Datenbank etwa weist mehr als 200 EU-Förderprogramme der Europäischen Kommission aus. Und in Bremen gibt es fast 700 Projekte, die mit Geld aus Brüssel gefördert werden.

Über 350 Millionen Euro sind es aktuell, die aus Brüssel nach Bremen überwiesen werden, und das umfasst nur die Gelder aus den drei großen Fördertöpfen, die Jahre von 2007 bis 2013. Und bei der Forschung, wo Mittel eher nach Leistung vergeben werden, bekomme Bremen bisher „sehr viel mehr“, als es seiner Größe entspricht, sagt Christian Bruns, der Leiter der Bremer Dependance in Brüssel. 1987 war Bremen eines der ersten fünf Bundesländer, die in Brüssel vertreten waren. Im Jahr zuvor hatte das Land 18 Millionen Mark von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bekommen.

Heute hat Bremen eine richtige „EU-Strategie“. Da steht zum Beispiel drin, dass die Bremer EU-Vertretung jährlich acht Hospitationsplätze zur Verfügung stellt. Und seit 2010 waren 29 Leute da – „sodass die Kapazitäten ausgeschöpft wurden“, sagt der Senat. Eine solche Hospitation dauert in der Regel nur zwei bis drei Wochen – wer an ihr teilnimmt, bekommt ein individuelles Gesprächs- und Arbeitsprogramm und soll am Arbeitsalltag in Brüssel teilnehmen.

Und dann gibt es noch die Möglichkeit, bremische ExpertInnen aus der Verwaltung für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu maximal vier Jahren an Organe der EU abzuordnen. Sie bleiben in dieser in Bremen formell angestellt und werden auch von Bremen weiter bezahlt. In den vergangenen Jahren haben sich BremerInnen zwar beworben – wie viele, das verrät der Senat in seiner Antwort nicht – aber keiner von ihnen konnte sich im Auswahlverfahren durchsetzen.

Und auch wenn der Senat betont, dass er der europapolitischen Qualifizierung seiner Bediensteten „hohen Wert“ beimesse – viel besser als heute wird es wohl auf absehbare Zeit nicht werden. Wegen der „Notwendigkeit weiterer Einsparmaßnahmen im Personalbereich“ und der damit verbundenen Arbeitsverdichtung.  JAN ZIER