Mehr als „Minimalstandard“

KLINIKEN ÄrztInnen in Bremen sollen jetzt umfassender aus- und weitergebildet werden. Das Projekt ist „bundesweit einmalig“, sagt der Marburger Bund

Der Facharzt soll jetzt häufiger zum Patienten kommen. Nicht umgekehrt

In seltener Einigkeit präsentierten sich gestern Klinikärzte, kommunale Arbeitgeber und die Klinik-Holding „Gesundheit Nord“ (Geno). Obwohl es um einen Tarifvertrag ging. Allerdings nicht jenen, der – wie jüngst arg umstritten – die Bezahlung der MedizinerInnen regelt. Sondern einen, der deren Aus- und Weiterbildung verbessern soll. Und so den kommunalen Krankenhäusern einen Vorteil im Wettbewerb um zunehmend rarer werdenden Nachwuchs verschaffen.

Künftig sollen junge MedizinerInnen im Rahmen ihrer Weiterbildung etwa zum Facharzt ein festgelegtes Rotationsprogramm an verschiedenen Standorten der Klinik-Holding durchlaufen und so möglichst umfassend geschult werden. „Das ist eine bundesweit einmalige und beispielhafte Vereinbarung“, sagte Heidrun Gitter, stellvertretende Landesvorsitzende des Marburger Bundes, der Gewerkschaft der rund 1.100 öffentlich Bediensteten ÄrztInnen in Bremen. Bisher mussten sich die MedizinerInnen oftmals auf eigene Initiative an einem anderen Krankenhaus neu bewerben. Oder aber in Kauf nehmen, auf einzelnen Fachgebieten nur einen „Minimalstandard“ an spezieller Ausbildung zu haben, wie Diethelm Hansen, Sprecher der Geno-Geschäftsführung sagte.

Daneben regelt der Tarifvertrag, dass ÄrztInnen künftig innerhalb des Klinikverbundes auch standortübergreifend tätig werden können, etwa im Rahmen von Rufbereitschaftsdiensten, zur Abhaltung von Sprechstunden, oder für fachspezifische Einsätze. So ist etwa die Kinderkardiologie Links der Weser, die Kinderchirurgie aber im Klinikum Bremen-Mitte angesiedelt. Nun heißt es: „Die Spezialisten kommen zu den Patienten, wo immer das möglich ist“.

Wenn sie ganz vom einen Haus ins andere wechseln müssen, bekommen sie einen „Nachteilsausgleich“. Auch vor betriebsbedingten Kündigungen sind sie jetzt geschützt. In Bremen will man mit derlei Maßnahmen verhindern, „Kopfprämien“ zahlen zu müssen, um freie Stellen besetzen zu können.

Streit um die Kliniken gab es gestern übrigens doch noch, wenn auch nicht zwischen den hiesigen Tarifparteien. Sondern mit dem Bund, der momentan überlegt, wie die drohende Finanzierungslücke der Gesetzlichen Krankenversicherung zu schließen ist. Und über eine Kürzungsrunde bei den Kliniken nachdenkt. Der Vorstand der Bremischen Krankenhausgesellschaft (HBKG) Jürgen Scholz rechnet für diesen Fall in Bremen mit Mindereinnahmen und Mehrausgaben von insgesamt 30 Millionen Euro. „Das ist kaum noch zu verkraften“. Zugleich sagt die HBKG, die von Bund und Krankenkassen „behauptete Finanzierungslücke“ von elf Milliarden Euro „werde so gar nicht entstehen“. Das Defizit werde vermutlich nur etwas über eine Milliarde Euro betragen. Weitere Einsparungen bei den Kliniken seien „nicht gerechtfertigt“ und „nicht notwendig“. MNZ