Lieber Bier als Bildung

Vor der WM haben Gewerkschaften und Studenten mit Streiks und Protesten gedroht. Tatsächlich protestiert haben nur die Gegner von Studiengebühren – allerdings mit zweifelhaftem Erfolg

von SASCHA TEGTMEIER

Die Studierenden in Frankfurt am Main haben ihre Drohungen in die Tat umgesetzt: das Datum der Begegnung Niederlande gegen Argentinien in ihrer Stadt nutzten sie, um gegen Studiengebühren zu demonstrieren. Vor dem Spiel am Mittwoch sind zum zweiten Mal Tausende von ihnen durch die Frankfurter Innenstadt gelaufen und haben Straßen und Schienen blockiert. Hauptziel der Gebührengegner war die große Public-Viewing-Arena.

Doch was hat Fußball mit Studiengebühren zu tun? „Wir erhoffen uns mehr Aufmerksamkeit“, sagt Anja Muhr von den Frankfurter Protestlern. Es sei jedoch schwierig, an den Spielorten überhaupt aufzufallen: „Wenn so viele Fans unterwegs sind, gehen wir unter.“ Um aufzufallen, haben sich die Gebührengegner nun gelbe Hemdchen besorgt.

Wie die Polizei meldet, sollen am Abend Müllcontainer gebrannt und Fensterscheiben eingeworfen worden sein. Die härtere Gangart der Proteste am Rande der Spiele spiegelt auch die Verzweiflung darüber wider, zwischen orangenem Meer und ständigem schwarz-rot-gelbem Fahnengeschwenke zu verschwinden. Dieter Rucht, Experte für soziale Bewegungen, sieht in einer solchen „Radikalisierung“ der Proteste die einzige Möglichkeit, die Schwelle der medialen Wahrnehmung zu überschreiten – mit zweifelhaftem Erfolg. Schnell könne es auch heißen: „Die Studis wollen den Gästen ihre WM verderben.“

Dem eigenen Anliegen ist kaum geholfen, wenn man dann im allgemeinen WM-Rausch als Spielverderber dasteht. Die Handzettel, die die Studis in vier Sprachen austeilen, werden die internationalen Fußballfans denn auch kaum aufwühlen. „Die Fans wollen den Fußball, ihren Spaß und Bier – und nichts über das deutsche Bildungssystem erfahren“, sagt Rucht.

Schon vor dem Anpfiff hat sich dagegen die WM für die bayerischen Straßenbahn- und Busfahrer gelohnt. Deren Gewerkschaft hatte mit Streiks zum Eröffnungsspiel in München gedroht – nach drei Jahren zäher Verhandlungen haben sich Arbeitgeber und Ver.di dann just einen Tag vor dem Spiel geeinigt. Ver.di-Verkehrsexpertin Siegi Kreuzer: „Die Fußball-WM war das I-Tüpfelchen unserer Streikdrohung.“ Die Medizinergewerkschaft Marburger Bund nennt es dagegen „reinen Zufall“, dass es eine Einigung bei den Ärzten vor dem Anpfiff gegeben habe.

Von solchen Zufällen konnten die Frankfurter Studenten nicht profitieren: Gesiegt haben sie immerhin sportlich vor zwei Wochen. Bei einer Blockade zum ersten WM-Spiel in der Stadt hatten sie ein spontanes Straßenfußballspiel gegen die Polizeibeamten gewonnen. Ob die Studenten beim nächsten Spiel in Frankfurt, dem Viertelfinale am 1. Juli, wieder auf die Straße gehen, wollen sie noch diskutieren.