Von der Uni ans Gericht

Die Kölner Rechtsprofessorin Angelika Nußberger wird neue deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Am Dienstagabend wurde sie in Straßburg gewählt. Die 47-Jährige leitet derzeit das Institut für Ostrecht an der Uni Köln und ist auch Vizepräsidentin der Universität.

Der EGMR ist das Gericht des Europarates, dem 47 Staaten angehören. Jeder Staat stellt einen Richter. Der Gerichtshof versucht einen einheitlichen Grundrechtsstandard von Portugal bis Russland sicherzustellen. In Deutschland wurde jüngst die schwache rechtliche Position von nichtehelichen Vätern beanstandet. Die derzeitige deutsche Richterin Renate Jaeger muss aus Altersgründen zum Jahresende ausscheiden.

Nach einer neuen Vorgabe des Europarats musste der Richterposten erstmals öffentlich ausgeschrieben werden. Kollegen und Studenten sprachen Angelika Nußberger daraufhin an, ob sie sich einen Wechsel nach Straßburg vorstellen könne. Sie konnte. Im November letzten Jahres erklärte sie ihre Bereitschaft zur Kandidatur. Im April kam dann ein Anruf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – sie sei eine von drei deutschen Kandidaten. Die endgültige Auswahl traf am Dienstag die parlamentarische Versammlung des Europarats, der Abgeordnete aus allen 47 Staaten angehören. Nußberger setzte sich durch gegen den BGH-Richter Bertram Schmitt und den Europaratsfunktionär Günter Schirmer.

Die Juristin hatte sich zwar wenig Hoffnung gemacht, da sie zuvor noch nie als Richterin gearbeitet hatte. Den Ausschlag für sie gab aber wohl ihre Tätigkeit in der Venedig-Kommission des Europarats, die die jungen Demokratien Osteuropas bei der Verfassungsgebung unterstützt. Zuletzt beriet sie die neue kirgisische Regierung unter Rosa Otunbajewa bei der Schaffung einer neuen Verfassung.

Nußberger ist in München aufgewachsen, sie hat nicht nur Rechtswissenschaft, sondern auch Slawistik studiert. Sie spricht fünf Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch und Spanisch) und ist parteilos. Ihr neues Amt tritt sie am 1. Januar an. CHRISTIAN RATH