Verkrampfter Patriotismus
: Fußball macht dumm

König Fußball regiert das Land. WM-Parties versetzen die Republik in einen Zustand der Euphorie. Siege der Nationalmannschaft gegen so profilierte Gegner wie Costa Rica, Polen oder Ecuador verursachen kollektive Glücksgefühle, die sich in Autokorsos Bahn brechen. Immer mit dabei: die Nationalfarben schwarz, rot, gold – und die Flasche Bier. Bitte schön, wenn‘s glücklich macht.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Gedacht werden aber darf dennoch, mag Kritik für die Fußballfans von CDU und FDP auch einer Nestbeschmutzung gleichkommen: Natürlich sind die Hinweise der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zur schwierigen Rezeptionsgeschichte des „Deutschlandliedes“ berechtigt – peinlich ist allenfalls, dass sich die GEW lauweich von ihrer eigenen Kritik distanziert. Nicht umsonst hatte auch FDP-Bundespräsident Theodor Heuss Probleme mit der Hymne, deren erste Strophe im so genannten „dritten Reich“ gern dem faschistischem Horst-Wessel-Lied vorangestellt wurde. Nicht umsonst weigern sich nicht nur Opfer des Nationalsozialismus noch heute, dass „Deutschlandlied“ zu singen.

Umso erschütternder ist das Geschichtsbild, mit dem die Jubelpatrioten von CDU und FDP Kritiker zum Schweigen bringen wollen. CDU-Europaminister Breuer spricht von den „unrühmlichen Jahren, in denen die Nationalsozialisten die Geschichte torpediert haben“: Der Großteil der damaligen Deutschen waren Opfer, nicht Täter, soll das wohl heißen – und Hitler, auf dem Höhepunkt seiner Macht von einer übergroßen Mehrheit frenetisch bejubelt, nur ein Unfall in der langen Geschichte der Deutschen.

Mag diese Geschichtsklitterung auch zur Jubelstimmung in den Stadien und auf den Straßen passen – sie ist schlicht unhistorisch. Im Fußball-Taumel soll Kritik als Defätismus diffamiert werden. Apropos Defätismus: Weltmeister wird diese Nationalmannschaft sowieso nicht.