Genial einfaches Mahlen

Die älteste funktionsfähige Mühle in Deutschland besuchen jedes Jahr Tausende. Sie bestaunen das Holzkonstrukt aus dem 15. Jahrhundert, das von vielen Freiwilligen wieder aufgebaut wurde

von ALEXANDRA BALZER

Jan Schoenmakers zieht ein braunes Segel auf. Mit viel Geschick hakt er das große Tuch in die 18 Ösen des ersten Flügels ein, dann zieht er an den Tauen den Stoff straff. Dunkle Regenwolken ziehen auf und eine leichte Brise bringt Bewegung in die Steprather Mühle im niederrheinischen Geldern-Walbeck. Um 1500 wurde die zylindrische Turmwindmühle erbaut. Sie ist die älteste voll funktionstüchtige Mühle in Deutschland. Hinter den denkmalgeschützten Mauern leisten riesige Zahnräder Schwerstarbeit. „Die Technik ist genial einfach – einfach genial“ sagt Werner Kirking, Vorsitzender des Mühlen-Fördervereins.

Vor dem 19 Meter hohen Naturkraftwerk auf einer Mauer sitzt auf zwei Mehlsäcken Müller Hein: „Der Müller wartet auf Wind“ steht auf einer Tafel unter der Skulptur geschrieben. Kommt die erhoffte Brise, setzen sich die vier jeweils gut 14 Meter langen Flügel in Bewegung. Die hölzernen Zahnräder und Kränze im Innern greifen exakt ineinander und sorgen dafür, dass sich die schweren Mühlsteine – sie haben einen Durchmesser von rund anderthalb Metern – drehen. Roggen, Weizen und Dinkel wird in der Steprather Mühle zu Mehl gemahlen – insgesamt mehr als zehn Tonnen im Jahr.

Im angrenzenden, vor gut zehn Jahren gebauten Backhaus mit kleiner Gastronomie, wartet ein „hungriger“ Steinbackofen, in dem auf einen Rutsch 100 Brote gebacken werden können. „Müllergedeck 4 Euro“ wirbt eine Tafel: Brot, Schmalz und Salz, Butter und Marmelade – dazu Kaffee. Busweise reisen Gäste zur Mühle, steigen neugierig die vier steilen Holztreppen hinauf bis zur drehbaren Mühlenhaube und lassen sich das Innenleben zeigen.

Doch bis die Mühle ihrer Arbeit wieder nachgehen konnte, war es ein langer Weg: 40 Jahre hatte sie ganz ohne Flügel nur so in der Landschaft gestanden. „Fünf Jahre hat es gedauert, bis wir das nötige Geld für die Instandsetzung zusammen hatten“, erzählt Kirking. Dabei war nach zwei Jahren Pacht der Kaufpreis von einer Mark für das marode Gebäude eher ein symbolischer Akt. Viele Hände halfen aus freien Stücken, bis dann 1995 die Mühle wieder in Betrieb ging.

Zwölf Sorten Holz von der heimischen Buche, der Palme bis hin zu exotischen Sorten wie Douglasie wurden im Herz des Gebäudes verbaut. „Hölzer sind wie Menschen, es verträgt sich nicht jeder“, erklärt Kirking. Und so muss das Material genau aufeinander abgestimmt sein. Wenn nur ein Zahnrad hakt, droht der Stillstand. (DPA)