Trinken bis zum Abzug

AFGHANISTAN Bundesregierung verteidigt deutsches Bier am Hindukusch: Trotz deutlich mehr Disziplinarfällen wegen Alkoholmissbrauch gibt es keine neuen Einsatzregeln für Soldaten

In Masar-i-Scharif wurden gegen 32 Soldaten Strafen wegen Alkohol verhängt

BERLIN taz | Trotz strikter Regeln kommt es in den Bundeswehrlagern in Afghanistan immer häufiger zu Fällen von Alkoholmissbrauch. So wurden allein im größten afghanischen Bundeswehrcamp in Masar-i-Scharif 2013 gegen 32 Soldaten Disziplinarmaßnahmen wegen übermäßigen Alkoholkonsums verhängt. 2012 waren es nur 15 Fälle.

Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt. Darin erklärt die Bundesregierung, dass Fälle von Alkoholmissbrauch nicht unmittelbar statistisch erfasst werden. Sie können daher nur über die Zahl der Disziplinarmaßnahmen geschätzt werden. Ebenfalls unklar bleibt, wie viele Soldaten bisher aufgrund von Alkoholkonsum vorzeitig ihren Einsatz beenden mussten. Erst seit März 2013 wird dies erhoben. Bei 16 Soldaten wurde bis Ende November demnach „die besondere Auslandsverwendung auf Grund von Alkoholmissbrauch vorzeitig beendet“, heißt es in der Antwort.

Dabei müsste es den Soldaten im Afghanistan-Einsatz eigentlich unmöglich sein, sich hemmungslos zu betrinken. Es gilt die so genannte „Zwei-Dosen-Regelung“, wonach jeder Soldat pro Tag höchstens zwei Dosen Bier oder zwei Gläser Wein „ausschließlich für den unmittelbaren Konsum“ kaufen darf. Andere Länder haben ein komplettes Alkoholverbot für die Soldaten verhängt. Dazu gehören etwa die USA, Kanada und Kroatien.

In welchem Umfang Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz illegale Drogen konsumieren, konnte die Regierung nicht beantworten. Die Linkspartei hatte die Anfrage gestellt, nachdem es im Juni zu mehreren Vorfällen im Zusammenhang mit Alkohol kam. So hatte ein Soldat im Camp in Masar-i-Scharif angetrunken um sich geschossen.

Trotzdem ergreift die Regierung kaum Maßnahmen zur Drogenprävention bei Soldaten im Ausland. Sie verweist auf kulturelle Unterschiede, um ihre fehlende Zusammenarbeit mit anderen Nationen in diesem Bereich zu begründen.

„Es gibt mehrere Vorfälle von Alkoholmissbrauch und auch dadurch verursachte Unfälle am Einsatzort Afghanistan. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum die Bundeswehr zu diesem Thema keine internationale Zusammenarbeit sucht, um aus den gegenseitigen Erfahrungen zu lernen“, sagte Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linkspartei im Bundestag. „Wie die neue Verteidigungsministerin bei ihrem Afghanistanbesuch kürzlich mitteilte, möchte sie sich mehr für das Wohl der Soldaten und ihrer Familien einsetzen. Dazu gehört auch das Thema der Alkohol- und Drogenprävention.“ PAUL WRUSCH