Die Schweizer singen „Finale“

Nach dem 2:0 der Schweiz über Togo nimmt die Begeisterung des mitgereisten Anhangs ungeahnte Ausmaße an

AUS DORTMUND DANIEL THEWELEIT

Nach dem 2:0-Sieg der Schweizer gegen Togo hat das WM-Turnier eine zweite Heimmannschaft. Kommt einem jedenfalls so vor: Solche Dimensionen hat die Leidenschaft für diese Nationalmannschaft wohl noch nie erreicht. Das größte Stadion des kleinen Landes ist der Basler St.-Jakob-Park mit einer Kapazität von 32.000, in Dortmund sangen und feierten rund 45.000 Rotgewandete (von 65.000) mit ihrer Mannschaft. Die Schweiz ist mit vier Punkten Tabellenführer der Gruppe G. Ihr reicht ein Unentschieden gegen das punktgleiche Südkorea, um zum zweiten Mal seit 1954 eine WM-Vorrunde zu überstehen.

„In solch ein Stadion hineinzulaufen und so ein Publikum zu sehen, das ist das Größte, was man als Fußballer erleben kann“, sagte Torhüter Pascal Zuberbühler. Er war hingerissen, und das muss man verstehen. Seit den 70ern hat keine eidgenössische Nationalmannschaft vor solch einer großen Masse eigener Anhänger gespielt, damals stand noch das alte Wankdorfstadion.

Wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug probierten die Zuschauer die Wirkung ihrer Gesänge aus, und als Alexander Frei nach 16 Minuten gestern Nachmittag das 1:0 für die Schweizer erzielte, fühlten sich viele an den rauschhaften Abend der Deutschen gegen Polen eben dieser Arena erinnert. Sie sangen: „Finale, oh-oh, Finale, oh-oh.“

Die Träume werden intensiver in der Schweiz, aber Torschütze Alexander Frei, der auch zum Man of the Match gekürt wurde, verkündete: „Ich bin einfach nur stolz, in dieser wunderbaren Mannschaft spielen zu dürfen.“

Doch ganz so wunderbar spielte das Team lange Zeit nicht. Es fand zunächst keine Sicherheit, ließ den Togoern viel zu viel Platz und ermöglichte ihnen allein in der ersten Halbzeit ein halbes Dutzend bester Möglichkeiten. Zweimal hatten sie Glück, dass der Schiedsrichter keine Elfmeter pfiff. „Es gibt ein Regelheft, da werden Sie um einige Früchte Ihrer Arbeit gebracht“, meinte Togos Trainer Otto Pfister.

Der in den vergangenen Tagen heftig gebeutelte Mann hatte genau gewusst, wie er gegen die Nationalmannschaft seiner Wahlheimat zu agieren hatte. Es ist noch gar nicht so lange her, da saß der Schweizer Trainer Jakob Kuhn zusammen mit Pfister beim Afrika-Cup und analysierte die Togoer. Pfister, ein alter Afrika-Kenner, sollte Kuhn dabei helfen, eine adäquate Strategie zu entwickeln, damit diese kleine Fußballnation nicht im Wege stehen möge, wenn die Schweiz sich unter die großen Fußballnationen mischen will.

Kurz darauf wurde Pfister selber Trainer bei den Afrikanern, und er fand das richtige Gegenmittel zu der von ihm selbst mit ausgetüftelten Taktik der Schweizer. Die wirkten nach ihrer frühen Führung, als hätten sie Angst vor der großen Möglichkeit, die sich da auftat. „Wir konnten unsere Räume zu schlecht nutzen“, sagte Kuhn, die Führung zur Halbzeit war schmeichelhaft.

In der Pause durften die Schweizer Spieler dann eigens vorbereitete Kühlwesten anlegen, um die angesichts des schwülwarmen Wetters „erhöhte Körperkerntemperatur senken“, wie Teamarzt Rudolf Roder erklärte. Vielleicht standen sie deshalb sicherer, und ihre Risikobereitschaft steigerte sich kontinuierlich. „Ein Unentschieden hätte unsere Situation nicht verschlechtert, mit dem 2:0 reicht jetzt ein Remis gegen Korea“, erklärte Kuhn, und tatsächlich schenkte Tranquillo Barnetta seiner Mannschaft und den feiernden Fans dieses 2:0 (88.).

Das Westfalenstadion war endgültig ein rotweißes Meer der Freude, derweil die tapferen Togoer betrübt vom Platz schlichen. Ihre WM ist „nicht nur turbulent, sondern extrem schwierig“ gewesen, wie Pfister noch einmal erklärte. Am Abend nach der Partie sollten die Spieler endlich die Prämien bekommen, so hatte man es ihnen versprochen. „Wenn das klappt, ist alles gut“, sagte Ersatzspieler Eric Akoto, „und wenn nicht …“ Den Rest des Satzes verschluckte er lieber.

Togo: Agassa – Nibombé, Tchangai, Toure – Agboh (15. Salifou), Dossevi (69. Sènaya), Mamam (88. Malm), Forson, Romao – Adebayor, Mohamed KaderSchweiz: Zuberbühler – Philipp Degen, Magnin, Senderos, Müller – Vogel, Barnetta, Cabanas (77. Streller), Wicky, Gygax (46. Hakan Yakin) – Frei (88. Lustrinelle)Schiedsrichter: Amarilla (Paraguay)Tore: 0:1 Frei (16.), 0:2 Barnetta (88.)Gelbe Karten: Salifou, Adebayor, Romao/Vogel - Zuschauer: 63.000