wm gucken mit
: … Togoern in Hamburg

Togo ist ein kleines Land. Deshalb ist es auch offensichtlich nicht gelungen, für das Togo-Zelt auf dem Hamburger Heiligengeistfeld einen Betreiber togoischer Herkunft zu finden. Der Mann ist Inder. Die richtigen Togoer zu finden ist trotzdem nicht schwer: Die Fans aus dem westafrikanischen Land singen auf der stadionartigen Tribüne und wiegen die Hüften dazu; 45 Minuten lang und nach der Halbzeitpause gleich nochmal. Wer hinter den fröhlichen Melodien siegestrunkene Texte vermutet, kann hier gleich mal eine Lektion in Gleichmut à la togolaise nehmen. Erstens liegen sie gegen die Schweizer mit 0:1 zurück, und zweitens singen sie sinngemäß: „Alles ist gottgegeben. Ob gut oder schlecht – wir nehmen es an.“ Sie haben keine Trommeln, wissen aber als einzige von den NDR-2-Klapp-Luftwürsten Gebrauch zu machen.

„Togo ist ein kleines Land“, sagt Leandre. „Ihr hier bekommt nicht viel darüber mit und deshalb ist es gut, dass wir hier bei der WM vertreten sind.“ Er gehört zur Opposition und musste sein Land deswegen vor neun Jahren verlassen. „Jetzt seht ihr mal, wie es bei uns ist, unter einer korrupten Diktatur, wo der Sohn den Diktator beerbt und sein Bruder den Fußballverband führt.“ Den Spielerstreik fand er berechtigt. „70.000 Euro pro Spieler ist nicht viel, wenn die FIFA dem Verband allein für die Vorrunde sieben Millionen zahlt.“ Der Verbandschef führe die Konten auf seinen eigenen Namen – „dabei ist er noch nicht einmal Schatzmeister“. Hier in Deutschland habe ihn noch niemand gesehen. „Er versteckt sich“, sagt Leandre. Dass sein Bruder, der Staatspräsident, nach Deutschland komme, glaubt er nicht. „Das traut er sich nicht“, sagt er, „weil wir ihm mit Demonstrationen gedroht haben.“ Aber heute soll die ganze Politik keine Rolle spielen. Leandre will einfach nur sein Land feiern, zusammen mit den anderen, einem bunt gemischten Haufen – sie sind für oder gegen die Regierung, aus dem Norden und dem Süden, Christen und Muslime, mit verschiedenen Muttersprachen. Manche Fangesänge kann Leandre zwar auswendig mitsingen, aber nicht verstehen.

„Togo ist ein kleines Land“, sagt Leandre noch einmal. „Wir wussten von Anfang an, dass wir die Vorrunde nicht überstehen würden.“ Aber das ist auch gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie dabei sind, zum ersten Mal, und ansehnlich zu spielen. Dafür feuert der Mann mit dem Sperber der Nationalmannschaft auf der Brust sie an, als wäre er direkt im Stadion und könnte Einfluss auf das Geschehen nehmen. Seine 30 Landsleute sehen aus wie eine Leistungsschau des togoischen Trikotdesigns seit den 70er Jahren: eine Orgie in Grün-Gelb. Als die Schweiz kurz vor Schluss das 2:0 erzielt, singen sie lachend ein neues Lied. Diesmal kann Leandre übersetzen, weil es in seiner Muttersprache Ewe ist: „Wir haben alles verloren – schade.“JAN KAHLCKE