Nothilfe nun möglich

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die finanzielle Misere der Palästinenser wird gelindert, kurzfristig. 100 Millionen Euro sollen bis Anfang Juli – an der von der Hamas gestellten Regierung vorbei – in die Gesundheitsversorgung fließen. Das so genannte Nahost-Quartett, bestehend aus USA, UNO, EU und Russland, einigte sich am Wochenende auf eine befristete Wiederaufnahme der Finanzhilfe für drei Monate. Der palästinensische Informationsminister Jussef Riska nannte die Entscheidung „bedauernswert“, da sie die „demokratische Realität“ ignoriere. Die Gelder sollen ferner die Kosten für Treibstoff sowie die Grundbedürfnisse der Ärmsten decken.

Die EU trägt mit rund 500 Millionen Euro jährlich den größten Anteil an der internationalen Aufbauhilfe. Mit Gründung der Hamas-Regierung knüpften sowohl die USA als auch die EU eine Fortsetzung der regelmäßigen Zahlungen an die zentralen Bedingungen: Gewaltverzicht und Anerkennung Israels. Aufgrund der leeren Haushaltskassen blieben die Gehälter für die Angestellten der Autonomiebehörde seit Februar aus. Um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, schufen die Quartett-Mitglieder einen neuen Zahlungsmechanismus. Dabei arbeiten Weltbank, EU und der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammen. Möglich ist indessen, dass die alternativen Geldwege, noch bevor sie überhaupt aktiviert werden, bereits überflüssig geworden sind.

Um den innerpalästinensischen Konflikt, der bislang 16 Todesopfer forderte, beizulegen, erwägen Hamas und Fatah, das Kabinett neu zu formen. Demnach gäbe es eine neue Plattform, auf die sich sämtliche Fraktionen einigen könnten. Die Fatah wird jedoch nur zustimmen, wenn die künftigen Regierungsrichtlinien auch den US- und EU-Forderungen entsprechen. Nach derzeitigem Diskussionsstand würde die Hamas 40 Prozent der Ministerposten einnehmen, der Rest ginge an die Parteien und an parteiunabhängige Technokraten.

„Wie stehen unmittelbar vor einer Einigung“, glaubt Kadoura Fares, ehemals Minister der Fatah. Dabei spreche er „von Tagen, nicht von Stunden“. Auch die Hamas signalisierte Zuversicht. „Noch in dieser Woche“, so Regierungssprecher Ghasi Hamad, werde eine Situation erreicht werden, „in der wir alle Probleme lösen und eine neue Seite aufschlagen“ können.

Streitpunkt der Fraktionen ist das „Gefangenenpapier“. Darin fordern inhaftierte Palästinenser aller Fraktionen u. a. die Errichtung Palästinas in den Grenzen von 1967 und die Gründung einer Nationalen Einheitsregierung. Abbas hatte die Hamas-Regierung ultimativ aufgefordert, das Papier anzuerkennen, sonst werde er am 26. Juli einen Volksentscheid durchführen. Laut Umfragen ist eine Dreiviertelmehrheit des Volks für den Gefangenenplan.

Eine große Koalition, in der die Hamas weniger als die Hälfte der Ministerposten einnimmt, würde den Druck auf Israel steigern, die kurz nach dem Wahlsieg der Hamas Ende Januar eingefrorenen Überweisungen palästinensischer Zoll- und Steuergelder wieder aufzunehmen. Unabhängig von der innerpalästinensischen Debatte kündigte die israelische Außenministerin Zippi Livni gestern an, zu prüfen, ob die vom Nahost-Quartett entwickelten Zahlungsformen auch für die von Israel zurückgehaltenen Gelder relevant sein könnten. Die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, wird heute in Jerusalem die israelische Regierung zur Wiederaufnahme der Zahlungen drängen. Problematisch für Israel ist, dass mit den palästinensischen Zoll- und Steuergeldern der Großteil der Gehälter für die Mitarbeiter der Autonomiebehörde gedeckt wird.