CHRISTIAN BUSSJENSEITS VON SÜDAFRIKA
: Riskante Annäherung

Facebook helps you connect and share with the people in your life“. Und wie! Neun Monate nachdem der britische Fernsehschaffende Mark Henderson aus der Geiselhaft in der kolumbianischen Sierra Nevada freigekommen ist, meldet sich einer seiner Entführer – via Facebook.

Antonio nennt er sich, und er will reden. Es kommt zu einem regen Mail-Austausch mit dem Exmitglied der marxistisch geprägten „Nationalen Befreiungsarmee“, rund zwei Jahre später reist Henderson mit einer Gruppe Exgeiseln zurück ins Hochland, um seinem Peiniger noch einmal zu begegnen.

„Gekidnapped“ ist das Dokument einer riskanten Annäherung: Will man wirklich demjenigen unter die Augen treten, der dafür verantwortlich war, dass man 101 Tage in Todesangst verbracht hat? Will man verstehen, was den anderen trieb, einem selbst in einem brutalen Akt der Selbstermächtigung die Menschenrechte abzuerkennen? Wo endet die gesunde Auseinandersetzung, wo beginnt das Stockholm-Syndrom?

Am Themenabend „Kidnapping“ zeigt Arte Hendersons unbedingt sehenswertes Trauma-Drama zusammen mit Constantin Costa-Gavras „Missing“ (1982). Eine etwas unglückliche Kombination, weil der Politklassiker von den Opfern der Militärdiktatur Pinochets erzählt und so – von den geopolitischen Parallelen abgesehen – kaum Mehrwert zum Verständnis der Doku liefert. Denn so verdammenswert die Entführung durch die Guerilla in „Gekidnapped“ ist, bleibt sie doch Folge eines idealistischen Trugschlusses.

Trotzdem, so die Erkenntnis Hendersons: Was die „Befreiungsarmee“ getan hat, kann nicht relativiert werden – das eigene Trauma aber aufgearbeitet. Aus Sicht der Bundesrepublik mit ihrer RAF-Vergangenheit geschieht im kolumbianischen Hochland also ohne jeden Relativismus etwas, was hierzulande auch nach 30 Jahren nicht gelang: eine echte Konfrontation von Tätern und Opfern.

„Gekidnapped“; Sonntag, 22.15 Uhr, Arte