Verpackt in Noblesse

MINZCREME Mit 15 pumpte Brian Sollitt Schokolade. Später erfand er „After Eight“

VON JÖRN KABISCH

Man darf sich Brian Sollitt als Engländer alten Schlags vorstellen. Mit dem dazugehörigen Spleen. Zeitlebens Junggeselle, widmete er sich in der Freizeit seiner Liebe zur Weihnachtsdekoration. Während der Adventszeit war sein kleines Häuschen in der Stadt York von Lichterketten umwickelt, über 500 Nikoläuse zählte seine Sammlung am Ende. Eine kleine Attraktion, für die mancher sogar Eintritt zahlte.

Kollegen berichten, er sei mit seiner Arbeit verheiratet gewesen. Die wenigen Fotos, die von Sollitt existieren, zeigen ihn alle in einem weißen Laborkittel, der Arbeitskleidung des Chocolatiers; Lachfalten um die Augen.

Für einen jungen Mann wie ihn bedeutete es kurz nach dem Krieg einen Sechser im Lotto, im armen Norden der Insel einen Job beim größten Arbeitgeber der Stadt zu ergattern. Bereits mit 15 stand Brian erstmals bei Rowntree’s an der Schokoladenpumpe. Kitkat, Smarties, all die süßen Sachen, die Rowntree’s damals schon herstellte, hatten für ihn vorher einen fast unerschwinglichen Luxus dargestellt. Aber Sollitt lernte, war neugierig, schon nach wenigen Jahren wechselte er in die Entwicklungsabteilung des Konzerns.

Aus ihm sollte einer der einflussreichsten Chocolatiers des 20. Jahrhunderts werden. Ob Lion-Riegel oder Matchmaker, die englische Entsprechung der deutschen Erfrischungsstäbchen mit dem Kern aus Orangensirup: dass gute Schokolade nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus Großbritannien kommen kann – für diese stolze Überzeugung vieler seiner kakaoverliebten Landsleute steht Brian Sollitt.

Als seine größte Erfindung gilt After Eight, die waffeldünnen Schokoladentäfelchen mit Pfefferminzfüllung. Nicht nur der Minzgeschmack ist eine Meisterleistung. Bevor man sich ein After Eight in den Mund steckt, muss die Füllung so dickflüssig und stabil sein, dass die feine Schokoladenhaut nicht bricht. Auf der Zunge soll sie aber sofort zart schmelzen. Diese Rezeptur gelang Sollitt 1962, sie wird bis heute geheim gehalten.

Und auf ihn soll auch die edle Verpackung der Täfelchen in einzelnen Kuverts aus schwarzem Seidenpapier zurückgehen, die Verpackung in einem Hauch von Luxus und Noblesse. „After Eight“ wurde in den folgenden Jahrzehnten zur beliebtesten Süßigkeit, die am Ende eines Abendessens auf den Tisch kam, nicht nur in England. Vor allem aber dort gilt es als unfein, die leeren Kuverts in der Schachtel zurückzulassen.

Als 1971 „Charlie und die Schokoladenfabrik“ in die Kinos kam, die erste Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Roald Dahl, hatte Brian Sollitt unter Kollegen seinen Spitznamen weg. Gene Wilder spielte den exzentrischen Süßwarenfabrikanten Willy Wonka, der Kinder mit Lutschbonbons beschenkt, die sich nie auflösen und nie den Geschmack verlieren. Der echte Willy Wonka starb am 16. Juli dieses Jahres nach einem Herzinfarkt.